UEFA.com funktioniert besser bei anderen Browsern
Um das bestmögliche Erlebnis zu haben, empfehlen wir, Chrome, Firefox oder Microsoft Edge zu verwenden.

Eine Saison mit Toren ohne Ende

Welchen Einfluss hat die neue Abstoßregel und sorgte das Fehlen von Fans dafür, dass die Gästeteams mehr Treffer erzielen konnten?

Stephan El Shaarawy bejubelt ein Tor für die Roma in der Runde der letzten 32
Stephan El Shaarawy bejubelt ein Tor für die Roma in der Runde der letzten 32 UEFA via Getty Images

Von den Auswirkungen der fünf möglichen Einwechselungen bis hin zu verändertem Abwehrverhalten im Strafraum, wir nehmen einige wichtige Themen des Technischen Berichts der UEFA Europa League 2020/21 unter die Lupe.

Die 50. Ausgabe des Wettbewerbs war die torreichste der Geschichte mit insgesamt 618 Treffern bzw. einem Durchschnitt von 3,03 pro Partie.

Hier konzentrieren wir uns auf die möglichen Gründe, die in dem Bericht diskutiert werden, wie zum Beispiel die Einführung der neuen Abstoßregel, die es riskanter macht, das Spiel von hinten aufzubauen. Auch der fehlende Heimvorteil mag dazu geführt haben, dass die Gästeteams mehr Treffer erzielen konnten.

Tore, Tore, Tore

Dies bedeutet ein Tor alle halbe Stunde – in einer Saison, in der die Mehrzahl der 204 Spiele pandemiebedingt ohne Zuschauer ausgetragen werden mussten. War dies am Ende etwa gar der Grund für die zahlreichen Treffer? Die technischen Beobachter der UEFA hielten dies durchaus für einen möglichen Faktor, wenngleich auch nicht für den einzigen.

2019 hatte das International Football Association Board (IFAB) eine neue Regel eingeführt, die es den Torhütern erlaubt, den Ball beim Abstoß an einen Mitspieler im eigenen Strafraum zu passen, nachdem zuvor der Ball zunächst den 16-Meter-Raum verlassen haben musste, bevor er von einem anderen Spieler berührt werden durfte. In der Folge passten viele Klubs ihren Spielaufbau an und setzten vermehrt auf das Zusammenspiel zwischen Torhütern und Verteidigern.

Seit der Einführung der Regel ist es recht üblich geworden, die gesamte Abwehrreihe in den Angriffsaufbau einzubinden, auch wenn damit gewisse Risiken einhergehen. "Mit dem veränderten Profil der Abwehrspieler und den neuen Spielregeln beginnen die Mannschaften ihr Angriffsspiel verstärkt im eigenen Sechzehner, und daraus resultierten eine Menge Fehler“, so der technische Beobachter Ghenadie Scurtul. "Es wurden Risiken eingegangen."

Salzburgs Mergim Berisha nach seinem Tor gegen  Villarreal
Salzburgs Mergim Berisha nach seinem Tor gegen VillarrealGetty Images

Aber war das Risiko es wert? 35 Treffer fielen im Anschluss an Aktionen, bei denen ein Torhüter am Spielaufbau beteiligt war. Doch es gab auch zahllose Beispiele, in denen dies schiefging, und wie weiter unten im Artikel deutlich wird, zahlten die Mannschaften teilweise einen hohen Preis dafür. So machte Villarreal-Keeper Géronimo Rulli einen folgenschweren Fehler, als er im Sechzehntelfinal-Rückspiel gegen Salzburg den Ball an Patson Daka verlor. Daka legte zurück auf Mërgim Berisha, der die Österreicher in Führung brachte, und wenngleich Gerard Moreno den Spaniern mit einem Doppelpack letzten Endes den Einzug ins Achtelfinale sicherte, hätte der Patzer von Rulli schwerwiegende Konsequenzen für die späteren Wettbewerbsgewinner haben können. "Die Torhüter suchen nach dem besten Weg [den Spielaufbau einzuleiten], aber einigen fehlt die Übung“, so der technische Beobachter Frans Hoek. "Deshalb passieren Fehler.“

Eine andere Frage ist, ob sich die Torleute mittlerweile zu stark auf die Arbeit mit dem Fuß konzentrieren und darüber den wesentlichen Teil ihrer Aufgabe, nämlich die Schussabwehr, vernachlässigen. "Viele Keeper haben ihr Aufbauspiel verbessert, aber sie sind nicht mehr so gut im Parieren von Bällen“, fuhr Hoek fort, der auf 35 Jahre Erfahrung als Torwarttrainer bei Ajax Amsterdam, dem FC Barcelona und Manchester United sowie bei der polnischen und der niederländischen Nationalelf und anderen Stationen zurückblicken kann. "Manchmal übertreiben sie es, und das kann dann Gegentreffer zur Folge haben.“ Eine weitere Gefahrenquelle bildet das hohe gegnerische Pressing, das wohl auch dazu dient, aus genau solchen Aufbaufehlern Profit zu ziehen.

Ein Grund für die Torschwemme könnte auch der geringere Druck durch die leeren Ränge sein, dank dem vor allem Gastmannschaften freier aufspielen konnten. Insgesamt wurden 277 Treffer bzw. 44,8 % der Gesamtausbeute durch die Auswärtsteams erzielt, was darauf hindeutet, dass der Heimvorteil in der Pandemie etwas zurückgegangen ist. So ist es denn auch kein Zufall, dass die UEFA entschieden hat, die Auswärtstorregel in allen UEFA-Klubwettbewerben mit der Saison 2021/22 abzuschaffen.

UEFA-Präsident Aleksander Čeferin äußerte sich folgendermaßen: "Die Auswirkungen dieser Regel widersprechen mittlerweile ihrem ursprünglichen Zweck, da sie die Heimmannschaften – vor allem bei Hinspielen – mittlerweile davon abhält, anzugreifen aus Angst, ein Gegentor zu kassieren, das der gegnerischen Mannschaft einen entscheidenden Vorteil verschafft. Auch die Fairness wird in Frage gestellt, vor allem in der Verlängerung, da die Heimmannschaft zwei Treffer erzielen muss, wenn das Auswärtsteam einmal getroffen hat.“

In der Tat war auch in dieser Saison wieder zu beobachten, dass die Heimteams oft auf ihre Torchance zu warten scheinen, wenn sie auswärts spielen. "Ich glaube, die Spieler, insbesondere der Gastmannschaften, spielen jetzt befreiter auf, und es werden mehr Treffer auswärts erzielt“, so der technische Beobachter Savvas Constantinou. "Man kann das in den meisten europäischen Ligen sehen; die Trefferzahl steigt.“

In der italienischen Serie A klingelte es nie zuvor so oft im Kasten wie in den letzten beiden Jahren, wobei der Durchschnitt mit gut drei Toren pro Spiel fast mit dem der Europa League identisch war. In der deutschen Bundesliga gelang es Robert Lewandowski, mit 41 Treffern in einer Saison den fast vierzig Jahre alten Rekord von Gerd Müller aus der Spielzeit 1971/72 zu brechen.

Entstehung der Tore

Direkter Freistoß: 11
Im Anschluss an eine Ecke: 62
Strafstoß: 60
Im Anschluss an einen Freistoß: 26
Im Anschluss an einen Einwurf: 11
Kombinationen: 228
Konter: 26
Abwehrfehler: 58
Direkter Angriff: 126
Sonstiges: 10

Gesamt: 618

Unter „direkten Angriffen“ sind Angriffe mit der eindeutigen Absicht gemeint, den Ball möglichst schnell vor das gegnerische Tor zu bringen. Dies muss nicht unbedingt durch Umschaltspiel geschehen; auch ein langer Ball vom Torwart oder einem Abwehrspieler oder über eine schnelle Passkombination nach vorn.