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Maximale Flexibilität bei der EURO 2020

UEFAs Technische Beobachter erörtern, wie taktische Flexibilität und das Timing bei Einwechslungen wichtige Faktoren bei der EM waren.

Federico Chiesa wird im Endspiel von Italiens Trainer Roberto Mancini ausgewechselt
Federico Chiesa wird im Endspiel von Italiens Trainer Roberto Mancini ausgewechselt Visionhaus/Getty Images

Taktische Flexibilität und das richtige Timing bei Einwechslungen gehörten zu den Elementen, die bei der Endrunde besonders wichtig waren. Zu diesem Schluss kommt der Technische Bericht der UEFA EURO 2020.

In diesem Auszug sprechen die Technischen Beobachter über die Häufigkeit von Formationswechseln während eines Spiels und der hohen Kunst, eine Mannschaft neu zu sortieren.

Anpassungsfähigkeit

Aus Trainerperspektive zählte taktische Flexibilität zu den augenscheinlichsten Merkmalen der EURO 2020 – und das nicht nur zwischen, sondern vor allem auch innerhalb einzelner Partien. Als in den ersten 20 Minuten zwischen Wales und Dänemark Gareth Bale und Aaron Ramsey für mächtig Wirbel sorgten, hätten nur die Wenigsten ein 0:4-Endergebnis aus walisischer Sicht vorhergesagt. Dann schob Coach Kasper Hjulmand seinen Innenverteidiger Andreas Christensen ins Mittelfeld und wechselte von seinem ursprünglichen 3-4-2-1 zu einem 4-3-3. Dänemark entriss den Walisern so die Spielkontrolle und gab sie bis zum Schluss (d.h. auch nach der neuerlichen Umstellung im Zuge der 2:0-Führung auf 3-5-2) nicht mehr her.

Highlights: Frankreich - Schweiz 3:3 (4:5 i.E.)

Aufgrund der Verletzung von Innenverteidiger Serhi Kriwzow stellte der ukrainische Coach Andri Schewtschenko sein 3-4-3 auf 4-3-3 um – eine Änderung mit positiven Folgen. Gegen die Schweiz startete Frankreich mit einer 3-5-2-Formation. Doch nach 36 Spielminuten wechselte Coach Didier Deschamps auf 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld. Nach der Pause stellte er auf ein klassisches flaches 4-4-2 um und ebnete den Franzosen so den Weg zu drei Treffern binnen 18 Minuten. "Obwohl Griezmann auf die rechte Seite wechselte und nicht mehr hinter den beiden Spitzen agierte, zeigte Frankreich in dieser Phase seine beste Turnierleistung", konstatierte Corinne Diacre. "Jedoch ergaben sich dadurch auch Löcher in der Defensive, die prompt zu zwei Gegentoren führten."

Willi Ruttensteiner ergänzte: "Die Schweiz hat während den Spielen großartige Umstellungen vorgenommen. In der Partie gegen Wales in Baku war die taktische Flexibilität derart hoch, dass man kaum unterscheiden konnte, ob sie gerade mit drei oder vier Verteidigern agierten. Sie haben eine hohe taktische Flexibilität in den unterschiedlichsten Spielsituationen an den Tag gelegt und gezeigt, dass es nicht um das System geht, das sie offensiv oder defensiv spielen, sondern um die Spieler und die taktischen Prinzipien, die der Coach ihnen mitgibt."

Mixu Paatelainen fügte hinzu: "Als Nationaltrainer braucht man Zeit, um verschiedene Spielsysteme einzustudieren; Zeit, die man häufig nicht hat. Daher kommt den Spielern eine zentrale Rolle zu. Wenn sie bestimmte Formationen aus ihren Vereinen kennen und sich wohl dabei fühlen, kann der Trainer flexibel sein."

Die Zeiten stehen auf Wechsel

Der Faktor taktische Flexibilität hing eng mit der Möglichkeit zusammen, fünf Spielerwechsel (bzw. sechs in den acht Partien mit Verlängerung) vornehmen zu können. "Den Trainern gebührt großer Respekt für ihre Anpassungsfähigkeit", so Packie Bonner. Dabei wählten die Coaches unterschiedliche Ansätze. Beispielsweise tauschte Roberto Mancini generell auf den Offensivpositionen, anstatt sein Mannschaftsgefüge zu verändern. "Die frischen Spieler haben die Siegtore auf den Weg gebracht", sagte Willi Ruttensteiner nach dem Spiel gegen Österreich. "Die ÖFB-Elf presste intensiv und dominierte zu jenem Zeitpunkt die Partie. Sie schien körperlich in besserer Verfassung als die Azzurri zu sein. Mancini tat das Richtige und wechselte. Franco Foda tat aber auch das Richtige, indem er nicht wechselte. Denn der Trainer muss aufpassen, dass sein Team durch die Wechsel nicht aus dem Rhythmus gerät."

Gareth Southgate, mit einer erstklassig bestückten Ersatzbank gesegnet, wollte mit seinen Wechseln bisweilen den Charakter seines Teams anstatt das System ändern. Aitor Karanka führte das Achtelfinale gegen Deutschland als Beispiel heran: "Als Jack Grealish für einen Flügelspieler aufs Feld kam, gab er der Partie die entscheidende Wendung. Er agierte eher zentral und sorgte damit für Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Außen- und Innenverteidiger des Gegners. Dadurch hatte Luke Shaw mehr Raum für seine Vorstöße – so entstand dann auch das erste Tor."

Dass man mit Einwechslungen auch Pech haben kann, zeigte sich bei Kasper Hjulmand, der in den sechs Partien Dänemarks alle 31 möglichen Wechseloptionen ausschöpfte. Im Halbfinale gegen England nahm er kurz vor der Halbzeit der Verlängerung seinen sechsten Wechsel vor, doch als sich anschließend Mathias Jensen verletzte, musste sein Team dem Rückstand mit einem Mann weniger hinterherrennen.

Der vollständige Technische Bericht der UEFA EURO 2020