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EURO-Final-Referee Kuipers: "Ein wahrer Meilenstein"

Björn Kuipers steht vor seinem siebten europäischen Finale – doch für den niederländischen Schiedsrichter ist das Endspiel der UEFA EURO 2020 am Sonntag zwischen Italien und England alles andere als nur ein weiterer Auftrag.

 Björn Kuipers during the EURO quarter-final between Czech Republic and Denmark in Baku
Björn Kuipers during the EURO quarter-final between Czech Republic and Denmark in Baku UEFA via Getty Images

Die Schiedsrichter-Visitenkarte des 48 Jahre alten Supermarkt-Besitzers aus Oldenzaal in der Ostniederlande ist äußerst beeindruckend. Endspiel in der UEFA Champions League 2014; zwei Endspiele in der UEFA Europa League 2013 und 2018; ein UEFA-Superpokal 2011 sowie Endspiele bei den U21- sowie U17-UEFA-Europameisterschaften 2009 und 2006.

Nicht zu vergessen seine Teilnahmen als Schiedsrichter bei den EUROs 2012 und 2016 sowie den FIFA-Weltmeisterschaften 2014 und 2018. Kuipers sagt jedoch, dass ihn die Berufung für das größte Spiel im europäischen Nationalmannschaftsfußball wie immer extrem erfreut hat.

"Ich war sehr emotional, als ich gehört habe, dass mir das Finale zugeteilt wird", erklärte er gegenüber UEFA.com. "Ich hatte gehofft, dass mir die Chance gegeben wird, ein EURO-Finale zu leiten, und ich habe mit meinem Team hart gearbeitet, dies zu erreichen. Es ist ein wahrer Meilenstein, ein Traum, ein unglaublicher Moment und eine große Ehre."

Björn Kuipers (Mitte) mit seinem Landsmann Danny Makkelie , dahinter folgt der Türke Cüneyt Çakır
Björn Kuipers (Mitte) mit seinem Landsmann Danny Makkelie , dahinter folgt der Türke Cüneyt Çakır

Kuipers hat seine bisherige EURO genossen und zwei Gruppenspiele geleitet – Belgiens knappen Sieg gegen Dänemark in Kopenhagen und Spaniens deutlichen Sieg gegen die Slowakei in Sevilla – auch im Viertelfinale zwischen Dänemark und der Tschechischen Republik war er im Einsatz. Dazu war er Vierter Offizieller bei Englands Auftakterfolg in der Gruppenphase gegen Kroatien in Wembley. "Die EURO war fantastisch", erklärte er. "Ich denke, das Schiedsrichter-Niveau war sehr hoch. Unter uns herrschte ein Familiengefühl – Schiedsrichter, die UEFA-Belegschaft, die Fitnesstrainer. Jeder hat dazu beigetragen, dass diese EURO eine positive Erfahrung ist."

Ratschlag des Vaters

Manchmal ist eine einfache Bemerkung oder ein Vorfall der Katalysator für einen Richtungswechsel im Leben. In Kuipers' Fall war er 16 Jahre alt, als sein Vater Jan einen neuen Kurs für ihn aufzeigte. "Ich habe als Youngster Fußball gespielt und war nicht der Netteste zu den Schiedsrichtern", erinnert er sich. "Mein Vater war Schiedsrichter – er sagte mir: 'Wenn du alles besser weißt, dann mach einen Schiedsrichterkurs und erledige es selbst.' So hab ich es gemacht, und da hat es angefangen. Ich bin ewig dankbar für das, was er mir gesagt hat."

Eine neuer Karriereweg lag vor ihm – aber Kuipers hatte nicht mit dem Ziel begonnen, in die oberste Riege aufzusteigen. "Als ich angefangen habe, hat es mir wirklich gefallen, Schiedsrichter zu sein, aber anfangs hatte ich keine Ziele. Es war ein Fall von Schritt für Schritt, abwarten und schauen. Was wir geholfen hat, dass ich auf meinem Weg die richtigen Leute an meiner Seite hatte." 2006 wurde er schließlich in den internationalen Dienst berufen. "Ich begann, meine Denkweise zu ändern und mir wirklich klare Ziele zu setzen, als ich das Glück hatte, zum Elite-Level aufzusteigen."

 Björn Kuipers ist seit 2006 auf der internationalen Bühne unterwegs
Björn Kuipers ist seit 2006 auf der internationalen Bühne unterwegs

Seit diesen Tagen hat Kuipers nie zurückgeschaut. Als einer von Europas am meisten respektierten Schiedsrichtern hat er es gelernt, die Unzahl an Höhen und Tiefen eines Schiedsrichterdaseins zu meistern. "Man muss mental und körperlich fit sein und das genießen, was man tut, ansonsten macht es keinen Sinn, Schiedsrichter zu sein", sagt er. "Die Fähigkeit, mit Menschen umgehen zu können, ist wirklich wichtig, genauso wie ein Verständnis für Fußball zu haben. Wenn du das Vertrauen der Spieler und Zuschauer gewinnen kannst, macht es deinen Job viel leichter."

Kuipers wird im Finale am Sonntag von einem vertrauten Team begleitet – die niederländischen Assistenten Sander van Roekel und Erwin Zeinstra, sowie Carlos Del Cerro Grande (Spanien) als Vierter Offizieller. Bastian Dankert (Deutschland) ist der Video-Schiedsrichterassistent (VAR) zusammen mit Pol van Boekel (Niederlande), Christian Gittelmann und Marco Fritz (beide Deutschland). Juan Carlos Yuste Jiménez (Spanien) komplettiert das Team als Ersatz-Schiedsrichterassistent.

Nachdem alle EURO-Schiedsrichter zu Beginn des Turniers in Istanbul stationiert waren, sind Kuipers und sein Team seit Anfang der Woche in London, um sich vor dem Höhepunkt am Sonntag zu akklimatisieren. "Wir haben uns die beiden Halbfinals angeschaut, und die Atmosphäre in Wembley war unglaublich – deshalb freuen wir uns jetzt wirklich auf das Finale", sagt er. "Es war gut, diese zusätzliche Zeit zu haben, um sich auf das Match zu konzentrieren."

Konzentration und Teamwork

Wann ist Kuipers voll und ganz bewusst, dass ein großer Anlass vor ihm liegt? "Zunächst wenn wir rausgehen und uns auf dem Platz warmmachen, und die Zuschauermassen anwachsen und jeder aufgeregt ist", erklärt er. "Aber ich denke, ich realisiere es wirklich, wenn ich die Teams auf den Platz führe, am Pokal vorbei, und wir uns für die Nationalhymnen aufstellen."

"In diesem Moment denke ich an all die Leute, die mir dabei geholfen haben, dorthin zu kommen, und vor allem an meine Familie." Kuipers' Stolz wird dabei von seinen größten Fans geteilt, seiner Frau Marlies und seinen zwei Kindern, die in Wembley beim Finale dabei sein werden. "Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig sie für mich sind", sagt er. "Sie waren immer für mich da und haben mich nicht nur unterstützt, wenn es gut lief, sondern auch in schwierigen Zeiten."

Auch der Großvater seiner Frau Marlies, Andries van Leeuwen, war ein bekannter Schiedsrichter, der 1963 das Finale im Pokal der Pokalsieger zwischen Tottenham Hotspur und Atlético de Madrid in Rotterdam leitete. "Ich habe viel über ihn gehört", sagt Kuipers. "Er hat zu 100 Prozent für das Schiedsrichterdasein gelebt."

Bjorn Kuipers mit seinen Assistenten Sander van Roekel und Erwin Zeinstra
Bjorn Kuipers mit seinen Assistenten Sander van Roekel und Erwin Zeinstra UEFA via Getty Images

Wenn es in Wembley losgehen wird, dann sind Kuipers und sein Team erpicht, eine Leistung zu zeigen, die dem Anlass entspricht. "Kompletter Fokus, volle Konzentration vom ersten bis zum letzten Pfiff", erklärt er. "Das ist enorm wichtig – du kannst ein gutes Match abliefern und immer die richtigen Entscheidungen treffen, und dann passiert etwas am Ende, das dir die ganze gute Arbeit ruiniert. Teamwork wird entscheidend sein, und ich bin beruhigt, Teamkollegen zu haben, auf die ich mich total verlassen kann."

Fokus auf die Zukunft

Angesichts so vieler bedeutender Partien in seinem Lebenslauf, was könnte Kuipers noch erreichen? "Daran denke ich nach der EURO", sagt er. "Wir haben alles erlebt – wir sind durch ganz Europa und die Welt gereist, wir haben tolle Spiele mit großartigen Spielern und fantastischen Trainern geleitet. Es ist ein Traum, Schiedsrichter zu sein – es ist ein Traum, ein EURO-Finale zu leiten. Ich werde nach der EURO sehen, was als nächstes passiert, was das Schiedsrichterdasein betrifft."

Kuipers, der in seiner Freizeit gerne Tennis spielt und Mountainbike fährt, hofft darauf, in der Zukunft etwas zurückzahlen zu können und sein großes Wissen nicht nur an junge Schiedsrichter weiterzugeben, sondern auch an Fußball-verrückte Youngster, die vielleicht darüber nachdenken, dass die Perspektive, Schiedsrichter zu werden, besser ist, als Fußballer zu werden. "Wenn jemand meine Hilfe will, dann gebe ich gerne mein Wissen zum Besten. Und wenn mich ein Junge oder ein Mädchen nach einem Ratschlag fragt, wie man Schiedsrichter wird, dann werde ich sie sicher ermutigen, es zu versuchen."

"Der Job als Schiedsrichter ist ein fantastischer. Man lernt, Entscheidungen zu treffen, man entwickelt, es macht dich zu einem besseren Menschen. Wenn du Schiedsrichter werden willst, dann ergreif die Chance..."