Griechenland schockt die Fußballwelt: Rückblick auf die EURO 2004
Samstag, 4. Juli 2020
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16 Jahre nach einer der größten Überraschungen der Fußballgeschichte blicken Griechenlands Stars von damals zurück auf den Triumph bei der EURO 2004.
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Heute vor 16 sorgte die griechische Nationalelf bei der UEFA EURO 2004 für eine Sensation, indem der 150:1-Außenseiter den Titel holte.
Zum Jahrestag dieses historischen Erfolges haben wir uns mit drei Stars aus der damaligen Mannschaft unterhalten: Kapitän Giorgos Karagounis, Torhüter Antonis Nikopolidis und Stürmer Angelos Charisteas.
Gruppenphase
Griechenland - Portugal 2:1
(Karagounis 7., Basinas 51. Elfm.; Ronaldo 90.+3)
12. Juni, Porto
Karagounis: Unser Hauptziel bei diesem Turnier war es, einfach Spaß zu haben. Für alle von uns war es die erste große Endrunde: für den Trainer genauso wie für die Spieler. Wir hatten unsere Qualifikationsgruppe vor Spanien gewonnen und uns unseren Platz redlich verdient, jetzt wollten wir unsere Teilnahme genießen. Es war ein einziges Fest! Wir waren übrigens bei dieser EURO kein kompletter Außenseiter, schließlich hatten wir unsere letzten 15 Spiele nicht verloren.
Griechenland - Spanien 1:1
(Charisteas 66., Morientes 28.)
16. Juni, Porto
Nikopolidis: Ein Jahr zuvor hatten wir sie in Saragossa geschlagen. Sie wussten genau, was sie gegen uns erwartete. Sie sagten vorher: “Wenn wir sie unterschätzen, werden sie uns bestrafen”. Sie kannten uns gut, deshalb wurde es das schwerste Spiel für uns bei diesem Turnier.
Griechenland - Russland 1:2
(Vryzas 43.; Kirichenko 2., Bulykin 17.)
20. Juni, Faro-Loule
Karagounis: Russland hatte nichts zu verlieren, sie waren ja schon ausgeschieden; plötzlich lag der Druck auf unseren Schultern, zumal als sie zweimal trafen. Zum Glück haben wir noch ein Tor geschossen und das hat zur Qualifikation [für das Viertelfinale] gereicht. Das war die schönste Niederlage meiner Karriere.
Viertelfinale: Griechenland - Frankreich 1:0
(Charisteas 65.)
25. Juni, Lissabon
Karagounis: Es war der bislang größte Sieg in der Geschichte der griechischen Nationalmannschaft. Wir haben den Titelverteidiger und haushohen Favoriten, den Weltmeister besiegt. Dieser Sieg hat uns erstmals gezeigt, dass wir in der Lage sind, den Titel zu holen.
Nikopolidis: Wir hatten schon immer gute Spieler. Was uns fehlte, war ein Mann, der das Team zusammenschweißte und uns zum Erfolg führte. Dieser Mann war Otto Rehhagel. Er hat dieses Team geschaffen.
Charisteas: Otto Rehhagel hat uns vor den Spielen unsere Ängste genommen, vor allem vor den wichtigen Spielen. Er hat es geschafft, diese Angst in Selbstbewusstsein und gegenseitiges Vertrauen zu verwandeln. Das war seine große Stärke, deshalb war er auch ein so erfolgreicher Trainer.
Halbfinale: Griechenland - Tschechische Republik 1:0
(Dellas 105.+1)
1. Juli, Lissabon
Karagounis: Sie waren das beste Team des Turniers und hatten ihre vier Spiele gewonnen - das hatte kein anderes Team geschafft.
Nikopolidis: Zu Beginn der Partie dachte ich mir: “Warum sollen wir nicht zu Null spielen?” Aber mir war auch klar, dass es sehr schwer sein würde, selber ein Tor zu erzielen. Unsere größte Stärke waren unsere Standardsituationen. In der Verlängerung wurden die Tschechen langsam nervös, ihre Dynamik war dahin. Dann kam die Ecke von Vasilis und Traianos [Dellas] traf zum 1:0 und wir standen im Finale.
Finale: Griechenland - Portugal 1:0
(Charisteas 57.)
4. Juli, Lissabon
Nikopolidis: Die Portugiesen standen viel mehr unter Druck als wir. Man konnte die Angst förmlich ihren Gesichtern ablesen, sie atmeten alle schwer. Ich sah, wie [Luís] Figo mitten im Spiel seine Schuhe wechselte, das war ein klares Zeichen dafür, wie unwohl sie sich fühlten.
Charisteas: Manche Träume behält man besser für sich und spricht nicht darüber. Mein Traum war es immer, ein Tor in einem Endspiel der EURO zu schießen. Das erste Spiel, das ich im Fernsehen gesehen hatte, war das Finale von 1988 mit diesem Traumtor von Van Basten. Nach 57 Minuten habe ich mir meinen Traum erfüllt.
Sobald wir getroffen hatten, wussten wir alle, dass wir dieses Spiel nicht mehr verlieren würden. Wir alle haben auf dem Platz alles gegeben, unabhängig von unserer Position. Es gab Momente, da musste ich Cristiano [Ronaldo] decken und dann bei einem Konter mit nach vorne gehen. Um ein Fußballwunder möglich zu machen, muss man Opfer bringen und an diesem Tag haben wir alles geopfert.
Nikopolidis: Beim Schlusspfiff konnte ich es einfach nicht glauben. Dies war einer der Momente, in denen du einen Freund bitten möchtest, dich zu kneifen, um zu sehen, ob du träumst oder wach bist. Dänemark hat das [1992] geschafft, aber ich glaube, unser Erfolg ist noch viel höher zu bewerten.
Die Feiern danach
Charisteas: In der Umkleidekabine feierten wir alle in Unterwäsche und bespritzten uns mit Champagner. Dann sagte man uns, dass unser Premierminister [Konstantinos] Karamanlis und seine Frau vor der Tür standen und hereinkommen wollten. Die Hälfte von uns war inzwischen nackt und alle versuchten, sich schnellstens noch irgendein Kleidungsstück zu schnappen.
Als wir Bilder von zuhause sahen, blickten wir uns alle an und fragten uns, was uns wohl erwartete, wenn wir nach Athen zurückkehrten. Ich glaube, es hat in Griechenland noch nie so einen Empfang gegeben!
Nikopolidis: Menschen auf der ganzen Welt, in Australien, Kanada und überall da, wo Griechen lebten – selbst am Nordpol – schwenkten unsere Fahne, feierten und waren voller Stolz auf 'ihr' Team. Für einen Monat waren wir eine vereinte Nation.
Charisteas: Selbst heute, 16 Jahre später, werde ich jeden Tag zehn bis zwanzig Mal auf die EURO angesprochen. Wenn ich mich in ein Cafe setze, sitzt garantiert jemand neben mir, der mich anspricht: "Angelos, ich erinnere mich noch an den 4. Juli …"