UEFA.com funktioniert besser bei anderen Browsern
Um das bestmögliche Erlebnis zu haben, empfehlen wir, Chrome, Firefox oder Microsoft Edge zu verwenden.

Oliver Bierhoff über das Finale der EURO 1996: "Tore waren mein täglich Brot"

Zum 24. Jahrestag des deutschen Triumphes bei der EURO 1996 blickt Oliver Bierhoff zurück auf das Finale gegen die Tschechische Republik.

Oliver Bierhoff bejubelt sein Golden Goal im Finale der  EURO 1996
Oliver Bierhoff bejubelt sein Golden Goal im Finale der EURO 1996

Oliver Bierhoff hatte erst vier Monate vor dem Beginn der EURO 1996 sein Debüt im DFB-Team gegeben. Als er im Finale eingewechselt wurde, brachte er es gerade mal auf zwei Länderspieleinsätze...

Was folgte, sollte seine weitere Karriere bis heute bestimmen. Bierhoff gelang zunächst der 1:1-Ausgleich, in der Verlängerung erzielte er dann auch noch das Golden Goal, das Deutschland den ersten EM-Titel nach 16 Jahren bescherte. Im Gespräch mit UEFA.com blickt der heutige DFB-Direktor auf das Spiel zurück, in dem er vor 24 Jahren Fußballgeschichte schrieb.

Sie hatten ein paar Monate zuvor Ihr Debüt im deutschen Team gegeben und erst ein paar Einsätze auf dem Buckel. Wie schwierig war es für Sie, sich auf das Finale vorzubereiten?

Bierhoffs Siegtor bei der EURO 1996

Oliver Bierhoff: Es war schon schwer, weil man insgeheim damit gerechnet hat, dass wir das Spiel gewinnen, wir waren leicht favorisiert und als Stürmer rechnet man nicht damit, dass man zum Einsatz kommt, wenn man 1:0 oder 2:0 in Führung geht.

Natürlich war die Freude da, weil wir ins Finale gekommen sind, aber als Spieler möchtest du natürlich auch immer spielen. Es war schön dabei zu sein, aber ich hätte gerne ein paar Minuten länger gespielt.

Vor dem Spiel habe ich zu mir gesagt, 'genieß das Spiel einfach, nimm die Atmosphäre mit und freu dich dann, wenn ihr den Titel gewonnen habt'.

Deutschland hatte die Tschechen bereits in der Gruppenphase mit 2:0 besiegt, welche Lehren hat Ihr Trainer Berti Vogts aus diesem Spiel gezogen und wie hat das die Taktik für das Finale beeinflusst?

Ich kann mich gar nicht mehr genau an die Ansprache vor dem Spiel erinnern. Aber das erste Gruppenspiel hatte eine vollkommen andere Konstellation als das Finale. Im Finale hatten wir einige gesperrte und verletzte Spieler und sind auf dem Zahnfleisch gelaufen.

UEFA.tv: Die Top-Torschützen der EURO


Der Gedanke war natürlich: 'Jetzt noch einmal die letzten Kräfte sammeln und alles reinschmeißen.' Wir wussten, dass wir eigentlich die bessere Mannschaft waren, aber auch, dass wir aufpassen mussten und sie nicht unterschätzen durften.

Sie saßen über eine Stunde auf der Bank. Waren Sie frustriert oder haben Sie die Schwächen der tschechischen Mannschaft studiert?

Highlights: Sechs denkwürdige EURO-Tore in der Verlängerung

Man will das im Nachhinein immer so ganz professionell berichten können, aber so ist es dann halt doch nicht. Man beobachtet das Spiel natürlich besonders. Die Atmosphäre im alten Wembley Stadion war beeindruckend, die Queen kam, es war wirklich eine tolle Atmosphäre.

Während der ersten Halbzeit war ich noch recht gelassen, man guckt gespannt zu und beobachtet, wie sich der eine oder andere verhält. Aber dann wurde ich schon etwas nervös, als sie in Führung gingen und ich begonnen habe, mich warm zu laufen und natürlich hoffte, schnell reinzukommen.

Ich war dann innerlich fast ein bisschen verärgert, weil es so lange gedauert hat. Mit dem Elfmeter der Tschechen sind mein Puls und meine Anspannung gestiegen, weil ich wusste, dass ich als Stürmer jetzt vermutlich meine Chance bekommen würde.

Erzählen Sie uns etwas über Ihr Golden Goal. Viele halten es für einen schlimmen Patzer von Torhüter Petr Kouba...

Ich weiß nicht, ob es Wunschdenken oder Wahrheit ist, aber ich meine, der Ball war schon mit ein bisschen Effet geschossen, und vielleicht war da noch ein Fuß dazwischen und er hat einen Drall bekommen. Natürlich hätte er den Ball halten müssen, aber das interessiert mich heute nicht mehr so sehr. Thomas Helmer spielte einen langen Ball aus der eigenen Abwehr, auch weil wir gar nicht mehr die Kraft hatten, uns Chancen herauszuspielen. Ich habe dann mit dem Kopf auf Jürgen Klinsmann verlängert, der nach außen gegangen ist und von rechts geflankt hat.

Deutschlands drei EURO-Triumphe

Ich konnte den Ball mit dem Rücken zum Tor annehmen und habe ihn gegen meinen Gegenspieler verteidigt. Ich wollte ihn [den Ball] dann eigentlich rechts auf meinen stärkeren Fuß drehen, um dann auch mehr Möglichkeiten beim Torschuss zu haben, aber Marco Bode, der links spielte, rief: "Komm hierrum, hier herum!" Ich weiß nicht, ob er den Ball wollte, aber so hab' ich mich halt andersherum gedreht und dann blind abgezogen.

Ich hatte nur eine ungefähre Ahnung, wo das Tor und der Torhüter waren, aber ich hatte Glück und der Ball trudelte irgendwie ins Tor.

Was ging Ihnen in den Sekunden nach diesem Tor durch den Kopf?

Schwer zu beschreiben. Es ist witzig, aber ich habe noch nie zuvor oder danach in meiner Karriere bei einem Tor mein Trikot ausgezogen, es war ganz untypisch für mich. Bei so einem Finale bist du so fokussiert, dass du nicht im Kopf hast, dass die Welt zuschaut, dass in Deutschland die Menschen feiern. Das kommt alles erst hinterher.

In diesem Moment war es einfach eine Riesenfreude und Erleichterung, die ich mit meinen Mannschaftskollegen teilen wollte, schließlich hatten wir gerade den Titel gewonnen. Für mich als Spieler, der immer von Toren gelebt hat, für den das das tägliche Brot war, war das natürlich die richtige Nahrung, das entscheidende Tor gemacht zu haben.

Aber was das Tor für meine Karriere bedeuten könnte und für Deutschland bedeutet hat, habe ich erst am nächsten Morgen beim Frühstücksfernsehen erleben können.

Welches Gefühl hatten Sie, als Sie den Pokal in der Hand hielten und welche Erinnerungen haben Sie noch an die Jubelfeiern?

Der Blick zurück nach Wembley: Bierhoff, Shearer und Co.

Der schönste Moment war der mit den Jungs in der Kabine. Da fällt alles von dir ab und man feiert miteinander. Man hat sechs Wochen lang jeden Tag 24 Stunden miteinander verbracht, hat sich auch mal gezofft, schließlich waren wir sehr unterschiedliche Charaktere.

Nach einer langen Saison hast du dann auch drei bis vier Wochen Pause und die hatten wir uns richtig verdient. Jetzt konnte man es mal so richtig krachen lassen.

Was auch beeindruckend war, war die Ehrenrunde im Stadion, die Blitzlichter und die vielen deutschen Fans, so etwas sollte man keinem Spieler nehmen.

Download: EURO-App