Was macht einen EURO-Sieger aus?
Sonntag, 1. Juli 2012
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UEFA.com zeigt, was die Besten vom Rest trennt und begibt sich dabei auf eine Reise durch Eheberatungen, ermutigende Metaphern, Kobras, Skorpione, Steine und Kiefernzapfen.
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Jeder Psychologe wird sagen, dass man im Sport mit dem Körper spielt, aber mit dem Kopf gewinnt. Wir wollen also nun einen Blick darauf werfen, was die Sieger einer UEFA-Europameisterschaft ausmacht.
Bei der UEFA EURO 2004 veröffentlichte die griechische Zeitung Ta Nea ein Tagebuch von Verteidiger Traianos Dellas - angefangen von der Geburt, der Formung und Verwirklichung eines Traumes. Seine Einträge vor dem Turnier waren umsichtig, er distanzierte sich fast von den Aussagen seines Trainers Otto Rehhagel, dass der Mannschaft etwas Großes bevorstehe. "Rehhagel spricht ständig mit uns und will uns vermitteln, dass wir nicht nur als Touristen nach Portugal fahren, dass wir eine Chance haben."
Durch Schmeicheleien ("Rehhagel nennt mich den Koloss von Rhodos"), eine Vorliebe für Metaphern, vor denen selbst Shakespeare zurückschrecken würde ("Rehhagel sagte: 'Es war einmal ein renommierter Boxweltmeister, der gegen einen Außenseiter antrat...'") und guten Resultaten wurde aus "ihm" langsam "wir". Während der Vorbereitung auf das Finale gegen den Gastgeber, nahmen Dellas' Aussagen eine drastische Wendung. "Das Team ist wie eine Kobra - es schlägt einmal zu und dann ist es vorbei", so der Innenverteidiger.
Dellas' Gedanken kann man auch auf alle anderen EURO-Sieger beziehen. Auch sie hatten ihre Probleme und ihre Kreuze zu tragen, aber sie fanden Methoden, damit umzugehen oder sie zu überwinden. Was die 13 Teams dennoch verbindet, ist das Vertrauen in einen großen Trainer, klare Anweisungen und ein gemeinsames Ziel. Laut Iker Casillas war die Gelassenheit von Luis Aragonés vor vier Jahren regelrecht ansteckend. "Einen Monat vor dem Turnier hatte der Trainer bereits alles im Kopf - wie er die Mannschaft genau einstellt und was er vom Turnier erwartet. Das war der Schlüssel."
Doch siegreiche Trainer vertrauen auch auf die Meinungen von außen. Eine der wichtigsten Entscheidung traf Berti Vogts im Vorfeld der EURO '96 in einer Gondel in Venedig, als er laut darüber nachdachte, wen er denn als vierten Stürmer mitnehmen sollte. "Nimm Olivier Bierhoff", meinte seine Frau Monika, "er wird es dir danken." Bierhoff wurde im Finale gegen die Tschechische Republik dann eingewechselt und schoss Deutschland mit einem Doppelpack zum Titel.
Diese Vorahnung - eine Gewissheit, die man weder erklären, noch belegen oder ignorieren kann. Nachdem Sandro Mazzola erfahren hatte, dass er im Finale 1968 gegen Jugoslawien nicht spielen würde, packte er bereits seine Koffer. Seine Teamkollegen Tarcisio Burgnich und Giorgio Ferrini und seine Frau konnten ihn aber schließlich überzeugen, doch noch zu bleiben. "Ich bin ein Skorpion", erklärte er. "Ich habe einen besonderen Charakter." Nachdem Italien nur 1:1-Unentschieden gespielt hatte, kam es 48 Stunden später zum Wiederholungsspiel - die Azzurri gewannen mit 2:0 und der Spielmacher hatte entscheidenden Anteil daran.
Wer auch immer nun den Henri-Delaunay-Pokal in Kyiw gewinnen wird, er hat 40 Tage mit 22 Teamkollegen und dem ganzen Trainerteam verbracht. Neben den Spielen wird der Großteil der Zeit im Hotel auf dem Zimmer verbracht. Wie nutzt man also diese Zeit?
Das Beispiel von Dellas hat gezeigt, dass man sich auch einfach nur mit sich selbst beschäftigen kann. Meistens dient diese Zeit aber dazu, den Zusammenhalt in der Gruppe zu stärken. Während das dänische Team 1992 einige Ausflüge zu McDonalds machte, bereitete sich die Tschechoslowakei auf das Finale 1976 mit einem Westernfilm im Kino vor, von dem sie kaum etwas verstanden. Niederlandes Kapitän Ruud Gullit führte das Team vor dem Finale 1988 gar zu einem Konzert von Whitney Houston.
Spanien hatte seinen ersten EURO-Triumph 1964 vor allem Trainer José Villalonga zu verdanken, der einige große Namen ignorierte und somit letztlich einen noch stärkeren Kader nominierte. Vor dem Finale gegen die UdSSR waren die Nerven der jungen Spieler aber verständlicherweise stark strapaziert. Villalonga ging mit ihnen daraufhin spazieren. Unter einem Olivenbaum machte er dann Halt, Chus Pereda erinnerte sich. "Er nahm ein paar Steine und sagte: "Das sind wir und unser Gegner sind diese Kiefernzapfen. Wer ist stärker, Steine oder Zapfen?"" Herr Rehhagel dürfte vor Neid erblassen.