Der "falsche Brasilianer" im Fokus
Dienstag, 9. August 2011
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Vor dem Testländerspiel gegen Brasilien sind bei der deutschen Nationalelf alle Augen auf Mario Götze gerichtet, der mit seiner Spielweise verzaubert. Da bleibt für den "echten" Brasilianer in der DFB-Elf – Cacau – nur die Nebenrolle.
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Manchmal treibt das Leben seltsame Blüten. Da gibt es einen Spieler namens Claudemir Jeronimo Barreto, der 1981 in der brasilianischen Großstadt Santo André geboren wurde, mit einer südamerikanischen Tanzgruppe durch Deutschland tourte und über den damaligen Fünftligisten Türk Gücü München den Weg zum 1. FC Nürnberg und schließlich zum VfB Stuttgart fand. 2009 erhielt der freundliche Spieler, den alle nur Cacau rufen, einen deutschen Pass und wurde prompt zum deutschen Nationalspieler. Bei der FIFA-WM 2010 in Südafrika wurde er gar im ersten Spiel der deutschen Elf gegen Australien eingewechselt und erzielte 110 Sekunden später ein Tor. Es ist das zweitschnellste in der WM-Geschichte für einen Einwechselspieler.
Normalerweise müsste also jener Cacau vor der Partie – die zu allem Überfluss noch in seiner aktuellen Wahlheimat Stuttgart stattfindet, im Mittelpunkt stehen. "Ich freue mich sehr darüber, bei so einem wichtigen Spiel dabei sein zu dürfen, das ist eine große Ehre für mich. Für mich geht mit dem Spiel gegen Brasilien ein Traum in Erfüllung. Es ist etwas ganz besonderes, gegen mein Geburtsland zu spielen. Ich bin gespannt, wie ich mich an diesem Tag fühlen werde, auf jeden Fall wird es ein ganz emotionaler Moment für mich. Anders kann ich es jetzt noch gar nicht beschreiben. Ich hoffe sehr, dass ich die Möglichkeit bekomme, zu spielen", diktierte Cacau den interessierten Journalisten dann auch pflichtschuldig in die Notizblöcke.
In seinem letzten Satz schwingt auch schon so ein bisschen das Problem mit. Cacau ist kein Stammspieler in der deutschen Nationalmannschaft. Der höfliche, intelligente und bescheidene Fußballer kam nach der WM noch fünf Mal zum Einsatz, aber jedes Mal nur als Einwechselspieler. 56 Einsatzminuten stehen für ihn zu Buche, davon nur 26 in den Pflichtspielen.
Cacau spielt so gar nicht brasilianisch. Er ist ein Arbeiter, der sich nie zu schade ist, für den Mitspieler den Ball aufzulegen und die langen Wege zu gehen. Die Wertschätzung seiner Kollegen und des Bundestrainers ist ihm sicher, doch Begeisterung rufen andere Spieler hervor. Auch bei Joachim Löw. "Er bringt unheimlich viel mit. Am Ball ist er genial. Freitag gegen den Hamburger SV war er unheimlich präsent. Das war eine überragende Vorstellung", sagt der Bundestrainer über Dortmunds Jungstar Mario Götze, der in der Vorsaison einen kometenhaften Aufstieg bis in die Nationalelf hinlegte und zum Auftakt der neuen Spielzeit beim 3:1-Sieg gegen den HSV mit einem Tor und zwei Vorarbeiten glänzte. Götze erinnert - bei aller Bescheidenheit - ein wenig an Lionel Messi. Cacau erinnert an eher an Alexander Zickler. Oder Dieter Eckstein.
Götze - das ist Esprit und Technik auf höchstem Niveau. Cacau ist Fleiß und Zuverlässigkeit. Er ist so gar nicht das, was man normal mit einem Brasilianer verbindet und hätte wohl auch keine Chance, in der Seleção zu stehen. Das würde man schon eher dem 19-jährigen Götze zutrauen, der angesichts des Gegners und seiner Leistung vom Freitag teilweise in den Medien schon "Götzinho" genannt wird.
Nach sechs Einwechslungen in der Nationalelf winkt ihm diesmal ein Platz in der Startelf, auch wenn Löw noch ein bisschen bremst. " Götze [hat] gute Chancen, in der Startelf zu stehen. Aber man muss die nächsten Jahre abwarten. Nationalmannschaft und Turniere auf internationalem Niveau sind dann nochmals eine andere Stufe. Der nächste Schritt ist, zu versuchen, in die internationale Klasse zu kommen. Ich sehe ihn als ähnlichen Spielertyp wie Mesut Özil. Obwohl er auch über beide Seiten kommen kann." Mitspieler Bastian Schweinsteiger sieht den BVBler auf der Straße nach ganz oben. "Mario Götze hat eine hohe Qualität und Übersicht. Allerdings liegen doch noch einige Steine auf dem Weg in die Weltspitze, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich denke, er wird auf dem Weg dorthin aber keine Probleme haben."
Es sind schnelllebige Zeiten im deutschen Fußball. Mesut Özil, vor zwei Jahren der gefeierte Aufsteiger bei der UEFA-U21-EM ist nun arrivierte Stammkraft und kickt bei Real Madrid CF. Mario Götze wird sich wohl bis zur UEFA EURO 2012 einen Platz in der Startelf erspielen - ach was, erzaubern. " Junge Spieler können in diesem System schnell Fuß fassen", sagt Löw über seine Nationalmannschaft.
Und mit Ilkay Gündogan dem Neu-Dortmunder, drängt der nächste spannende Spieler in die Mannschaft. Es sind schwere Zeiten für Spieler wie Cacau, die ehrliche Arbeit abliefern – die Schlagzeilen gehören auch morgen den Götzes, Özils, Benders und vielleicht auch bald Gündogans.