Aus Interesse wird Begeisterung
Montag, 21. Mai 2007
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Der Schweizer UEFA EURO 2008™-Turnierdirektor Christian Mutschler freut sich schon jetzt auf das Turnier in Österreich und der Schweiz.
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In einem guten Jahr beginnt die UEFA EURO 2008™ in Österreich und der Schweiz, aber für den Schweizer Turnierdirektor Christian Mutschler gibt es verständlicher Weise auch jetzt schon kein anderes Thema. Tagtäglich arbeitet er an einer perfekten Organisation. Im Exklusivinterview mit uefa.com gibt er einen Einblick in die wichtigsten Bereiche.
uefa.com: Was bedeutet es Ihnen, Schweizer Turnierdirektor der UEFA EURO 2008™ zu sein?
Mutschler: In der Schweiz wird ein Sportanlass in der Größenordnung einer UEFA EURO 2008™ wohl einzigartig sein - und so ist es auch für mich eine einmalige Chance, aktiv mitzuwirken. Die Aufgabe bringt in ihrer Komplexität und Vielfältigkeit eine hohe Verantwortung mit sich, nicht nur in Bezug auf die Spielorganisation, sondern natürlich auch im Zusammenspiel mit den politischen Entscheidungsträgern und der gesamten Administration. Ich lerne in diesem Job, was es alles braucht, damit ein Land wie die Schweiz funktioniert.
uefa.com: Was sehen Sie als Ihre größte Herausforderung?
Mutschler: Es gilt, die unterschiedlichsten Interessen aller beteiligten Parteien unter einen Hut zu bringen, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Es geht primär um Sport und um Fußball und da dürfen Partikularinteressen oder politische Anliegen Einzelner dem Gesamten nicht entgegenwirken. Das kann auch aufreibend sein. Die UEFA EURO 2008™ ist gemeinsam mit der UEFA Champions League das Sportprodukt, das sich weltweit auf höchstem Niveau bewegt. Und das beste Produkt muss in einem optimalen Umfeld präsentiert werden können. Schließlich schickt man auch keinen VW-Käfer in ein Formel-1-Rennen.
uefa.com: Funktioniert in der Organisation alles reibungslos?
Mutschler: Bei der Dimension dieses Anlasses und einer länderübergreifenden Organisation, wie sie hier gegeben ist, kann in der Vorbereitung nicht alles reibungslos verlaufen. Wichtig ist ganz einfach, dass am Schluss alles stimmt. Den Fan wird es am Ende nicht interessieren, warum etwas nicht funktioniert, er erwartet ganz einfach eine Top-Dienstleistung.
uefa.com: Wie läuft die Zusammenarbeit mit Österreich?
Mutschler: Innerhalb der Organisation machen wir keine Unterscheidung zwischen der Schweiz und Österreich. Wir sehen die zwei Länder und die acht Stadien, in denen die Spiele stattfinden werden, als Einheit. Der Besucher soll überall den gleichen Service erhalten, aber natürlich soll er auch die Authentizität der einzelnen Spielorte, die lokalen Besonderheiten, erleben können. Auf der politischen Ebene sehe ich einen konstruktiven Austausch, sei es auf Regierungsebene oder in den einzelnen Teilprojekten. Als Beispiel möchte ich das Kombi-Ticket im öffentlichen Verkehr nennen, das wir in der Schweiz durchsetzen konnten und das nun auch von Österreich übernommen wird.
uefa.com: Wie steht es um die EM-Begeisterung in der Schweiz?
Mutschler: Wenn jemand zum jetzigen Zeitpunkt schon die ganz große Euphorie erwartet, dann kann er nicht richtig liegen. Es würde auch schwer fallen, die Begeisterung über ein Jahr lang aufrecht zu erhalten. Ein Spitzensportler, der schon drei Monate vor seinem wichtigsten Wettkampf in Hochform ist, der wird kaum gewinnen können. Aber die enorme Nachfrage bei der ersten Phase des Ticketverkaufs zeigt, wie groß das Interesse ist. Das wird zu gegebener Zeit in Begeisterung umschlagen, die auch abhängig ist vom sportlichen Abschneiden des eigenen Teams, von den Vorbereitungen, den Fanzonen und vielem mehr. Wir dürfen dieses Fest auch nicht "kaputt" organisieren, es soll durchaus Platz geben für Spontaneität.
uefa.com: Wie sehen Sie den Stand der Vorbereitungen in punkto Sicherheit?
Mutschler: Die Sicherheit ist ein sehr wichtiges Element für das Funktionieren eines solchen Großanlasses. Auch hier gibt es länderübergreifende Zusammenarbeit, die Sicherheitskonzepte der Schweiz und Österreichs sind aufeinander abgestimmt. Die Umsetzung an den Spielorten wird nach der bekannten 3D-Philosophie (Dialog, Deeskalation, Durchgriff) vorgenommen. Die Verantwortung für den Bereich Sicherheit kann nur gemeinsam zwischen den verschiedenen Aufgabenträgern, also dem Veranstalter, den Sicherheitskräften der öffentlichen Hand und den privaten Security-Anbietern, getragen werden. Hier sehe ich in der Schweiz noch ein Manko, der Schulterschluss zwischen den Beteiligten könnte enger sein. Denn nur als Einheit werden wir die wenigen Unbelehrbaren auch während der UEFA EURO 2008™ in die Schranken weisen können.
uefa.com: Die WM 2006 in Deutschland hat im Bereich Sicherheit eine hohe Messlatte vorgegeben…
Mutschler: Diese Feststellung gilt nicht nur für den Sicherheitsbereich, wo vor allem auch die Kommunikation als wichtiger Bestandteil des Sicherheitskonzeptes sehr gut umgesetzt worden ist. Aber wir als Schweizer und Österreicher dürfen den Anspruch haben, die Vorgaben an ein solches Großereignis ebenso gut umsetzen zu können. Wir dürfen da ruhig mit etwas breiterer Brust auftreten.
uefa.com: Was erwarten Sie von der Schweizer Nationalmannschaft bei der UEFA EURO 2008™?
Mutschler: Für die Schweiz als gesetztes Team der Gruppe A wird es sehr schwierig, weil sie sicherlich die eine oder andere große Fußballnation zugelost erhalten wird. Doch auch unter diesen Voraussetzungen sehe ich genügend Potenzial, sich in der Gruppenphase durchsetzen zu können. Die Schweizer haben bewiesen, dass sie Fußball spielen können, wenn sie sich auf ihre Aufgabe auf dem Platz konzentrieren und ihre Stärken optimal einsetzen. Ob es dann zum Europameistertitel reichen wird, das wissen wir spätestens am 28. Juni 2008 nach dem Finale in Wien.