Griechenland holt europäische Krone bei der EURO 2004
Sonntag, 4. Juli 2004
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Portugal - Griechenland 0:1
Angelos Charisteas machte das Fußball-Märchen der Mannschaft von Otto Rehhagel mit seinem Kopfballtor perfekt.
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Griechenland sorgte für die große Sensation: Ein Kopfballtor von Angelos Charisteas in der 57. Minute besiegelte den 1:0-Finalsieg gegen Gastgeber Portugal in Lissabons Estadio da Luz und ließ die Hellenen endgültig den Fußball-Olymp emporsteigen. Die favorisierte Seleccao fand gegen die abermals unglaublich diszipliniert spielende Mannschaft von Trainer Otto Rehhagel kein Mittel. Der deutsche Coach ist im Land der Götter nun unsterblich.
Mit der Gewissheit im Rücken, dass die portugiesische Nationalmannschaft seit 17 Jahren in Lissabon ungeschlagen war, setzte Trainer Luiz Felipe Scolari auf das altbewährte 4-2-3-1-System. Sein Vertrauen galt exakt der gleichen Startformation, die im Halbfinale die Niederlande bezwang. Angreifer Pauleta, bei dieser EURO noch ohne Torerfolg, agierte also abermals als einzige Sturmspitze. Hinter ihm sollten Kapitän Luis Figo, Jungstar Cristiano Ronaldo und Spielmacher Deco als treibende Kräfte in der Offensive fungieren.
Griechenlands Nationaltrainer Otto Rehhagel ("Wir träumen vom großen Triumph") ging notgedrungen mit einer personellen Änderung ins Finale. Am Tag seines Karriere-Höhepunktes sowie dem wichtigsten Fußballspiel der Griechen aller Zeiten galt es, Mittelfeldspieler Georgios Karagounis wegen einer Gelbsperre zu ersetzen. Für ihn kam Stelios Giannakopoulos in die Mannschaft. Zudem fiel Angreifer Themistoklis Nikolaidis aufgrund einer Rückenverletzung aus. Der bei den griechischen Fans äußerst beliebte Stürmer hatte während des Turniers eine Joker-Rolle inne und fehlte dem deutschen Coach als wertvolle Option bei den späteren Einwechslungen.
Angetrieben von 53 000 frenetisch feiernden portugiesischen Fans suchten die Lokalmatadoren im "Stadion des Lichts" ihr Glück von Beginn an in bedingungsloser Offensive. Figo ließ sich immer wieder in die eigene Hälfte zurückfallen, um mit vielen Ballkontakten die Angriffe der Scolari-Elf zu initiieren. Doch gegen die dicht gestaffelten und gewohnt diszipliniert spielenden Griechen dauerte es bis zur 14. Minute, ehe Defensivmann Miguel nach schönem Doppelpass mit Ronaldo aus rechter Position einen 20-Meter-Schuss abfeuerte, den Torhüter Antonios Nikopolidis reaktionsschnell um den Pfosten lenkte.
Mit durchdachtem und weiträumigem Kombinationsspiel verstanden es aber auch die Griechen, sich sporadisch aus dem tiefstehenden Abwehrverband zu befreien. Stürmer Angelos Charisteas kam freistehend vor Portugals Schlussmann Ricardo mit seiner Fußspitze nur um Bruchteile von Sekunden zu spät, nachdem Zisis Vryzas in der 16. Minute sehenswert mit der Hacke vorlegte. Der Angriff der Griechen schien bei der Seleccao für Eindruck gesorgt zu haben, denn fortan schlichen sich im Spiel der Portugiesen immer wieder leichte Abspielfehler ein. Figo, Deco und Co. wirkten zunehmend nervöser.
In der Tat, im Duell zweier Teams, die noch nie zuvor in einem Europameisterschaftsfinale standen, offenbarte sich eine verkehrte Fußball-Welt. Das griechische Defensivspiel mutierte zum munteren Angreifen. Während lediglich zwei weitere eher harmlose Distanzschüsse vom völlig auf sich allein gestellten Pauleta sowie von Maniche in der 17. und 23. Minute für portugiesische Torgefahr sorgten, wirbelte der starke Grieche Vryzas über die linke Außenbahn ein ums andere Mal die Abwehr der Rot-Grünen durcheinander.
Als dann auch noch Miguel, einer der auffälligsten Akteure, nach 43 Minuten verletzt gegen Paulo Ferreira ausgewechselt werden musste, sah es für die Portugiesen düster aus. Der Verteidiger erhielt zuvor einen unabsichtlichen Tritt von Giannakopoulos in den Magen. Der deutsche Unparteiische Markus Merk pfiff schließlich zur Halbzeit, und dies kam den immer konzeptloser wirkenden Portugiesen durchaus gelegen.
Die Anweisungen von Scolari zur Pause schienen den Potugiesen gut getan zu haben. Angetrieben vom nun stärker werdenden Deco erhöhte der EURO-Gastgeber nun deutlich das Tempo. Ronaldo sorgte durch seine individuelle Klasse nun vermehrt für Platz in der gegnerischen Spielhälfte. Allerdings: Verwertbare Einschussmöglichkeiten blieben weiter Mangelware.
Die Harmlosigkeit der portugiesischen Angriffe sollte sich rächen. In der 57. Minute kam der große Auftritt von SV Werder Bremens Torjäger Charisteas. Nach einer Ecke von Angelos Basinas sprang der nimmermüde Angreifer höher als sein Gegenspieler Costinha und drückte das Leder per Kopf zur 1:0-Führung in die Maschen. Das griechische Fußball-Wunder setzte sich fort.
Scolari musste reagieren - und er tat es. Mittelfeld-Motor Rui Costa kam in der 60. Minute für "Unglücksrabe" Costinha, um noch mehr Offensivdruck auszuüben. Und noch nicht einmal 60 Sekunden auf dem Feld, sorgte der Spielmacher des AC Milan mit einem schönen Solo über rechts und einer gefährlichen Hereingabe auch schon für Torgefahr: Doch Pauleta verpasste.
Nun war Portugals Kapitän gefragt. Superstar Figo bemühte sich zwar, kam aber nicht wirkungsvoll zum Zug. Sein von Nikopolidis sicher gehaltener 15-Meter-Schuss in der 64. Minute änderte daran auch nichts. Die Zeit drängte, und die Seleccao wirkte hilflos. Als zehn Minuten später Publikumsliebling Nuno Gomes für Pauleta kam, schöpften die portugiesischen Anhänger noch einmal Hoffnung.
Ausgerechnet der junge Ronaldo leitete dann die verzweifelte Sturmphase der Scolari-Schützlinge ein. In der 74. Minute tauchte er nach Maniche-Traumpass freistehend vor Nikopolidis auf, schlenzte den Ball aber über die Querlatte. Sieben Minuten später scheiterte Ricardo Carvalho mit einem 18-Meter-Kracher an dem einmal mehr überragenden Nikopolidis. Es war zu wenig, um das griechische Abwehr-Bollwerk zu durchbrechen.
Es folgte Dramatik pur: In der 89. Minute wurde Figo zum tragischen Held, als er sich 16 Meter vor dem gegnerischen Gehäuse gegen drei Griechen durchsetzte und schließlich das Tor nur um wenige Zentimeter verfehlte. Doch Merk gab den Portugiesen noch eine Chance und ließ fünf Minuten nachspielen. Wer aber glaubte, Portugal würde nun noch einmal ein Offensiv-Feuerwerk folgen lassen, der hatte sich getäuscht. Die Griechen griffen sogar bis zum Schlusspfiff an und feierten anschließend den größten Triumph ihrer Fußball-Geschichte völlig losgelöst und ausgelassen.
Aufstellungen
Portugal: Ricardo; Nuno Valente, Ricardo Carvalho, Jorge Andrade, Miguel (43. Paulo Ferreira); Figo (K), Costinha (60. Rui Costa), Deco, Maniche, Ronaldo; Pauleta (74. Nuno Gomes)
Bank: Quim, José Moreira, Rui Jorge, Fernando Couto, Petit, Simão, Beto, Tiago, Hélder Postiga
Trainer: Luiz Felipe Scolari
Griechenland: Nikopolidis; Fyssas, Dellas, Kapsis, Seitaridis; Basinas, Katsouranis, Zagorakis (K); Giannakopoulos (76. Venetidis), Vryzas (81. Papadopoulos), Charisteas
Bank: Chalkias, Katergiannakis, Dabizas, Tsiartas, Kafes, Georgiadis, Goumas, Lakis
Trainer: Otto Rehhagel
Schiedsrichter: Markus Merk (Deutschland)
Man of the Match: Theo Zagorakis (Griechenland)