Härtetest rüttelt Frankreich wach
Sonntag, 13. Juni 2004
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Zinedine Zidane war der entscheidende Spieler Frankreichs beim 2:1-Sieg über England.
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Hinter Europa liegt die Woche der Entscheidung. Während Politiker auf dem ganzen Kontinent über die geringe Wahlbeteiligung klagten, wurden Fußballfans in ihrer jüngst getroffenen Einschätzung einmal mehr bestätigt. Zinedine Zidane, der gerade erst zu Europas herausragendem Spieler der vergangenen 50 Jahre gewählt worden war, glänzte am ersten UEFA EURO 2004™-Sonntag in Lissabon.
Einzigartige Demonstration
Der Sieger der von uefa.com anlässlich des 50-jährigen UEFA-Bestehens durchgeführten Abstimmung bewahrte Europameister Frankreich mit einer einzigartigen Demonstration von Ballfertigkeit, Kampfgeist und Charakterstärke im Alleingang vor einer Auftaktniederlage gegen England.
Phantastischer Freistoß
Zunächst stellte der französische Kapitän seine atemberaubenden Fähigkeiten am Ball unter Beweis, als er weit in der Nachspielzeit einen phantastischen Freistoß in die englischen Maschen setzte. Dann verwandelte er als letzte Aktion des Spiels eiskalt einen Elfmeter und zeigte damit seine absolute Entschlossenheit. Die Franzosen entgingen dadurch ihrer ersten Pflichtspielniederlage seit zwei Jahren.
„Ganz schwieriges Spiel“
Trotz des großen Ansehens, das Zidane weltweit genießt, ist er abseits des Felds ein zurückhaltender Typ geblieben. So spielte der herausragende Spieler der französischen Triumphe beim FIFA-Weltpokal 1998 und der UEFA EURO 2000™ auch seinen Anteil am Sieg gegen England nach der Partie herunter. „Wir haben eine phantastische Mannschaft, mit der wir noch einmal ähnliche Glücksgefühle wie 1998 und 2000 erleben wollen“, sagte er. „Das war ein ganz schwieriges Spiel. Ich gehe davon aus, dass der Rest des Turniers nicht einfacher für uns wird.“
Elfmeter-Fehlschuss
Der Sieg der Franzosen war ein Triumph der individuellen Stärke über das Kollektiv. Denn nach Frank Lampards Führungstreffer für England hatte es nie so ausgesehen, als ob die Franzosen ihre Rivalen von der anderen Seite des Ärmelkanals ernsthaft in Gefahr bringen könnten. So aber entpuppte sich David Beckhams Elfmeter-Fehlschuss in der 73. als mitentscheidende Szene. Der englische Kapitän hatte schon im vergangenen Oktober in der Türkei einen Strafstoß vergeben, als er bei der Ausführung ausrutschte. Damals hatte sein Verhängnis allerdings keine gravierenden Folgen.
Gut verteidigt
Beckham fühlte sich und seine Mannschaftskameraden um den Lohn der Arbeit betrogen. „So etwas haben wir nicht verdient, wir hätten gewinnen müssen“, sagte er. „89 bis 90 Minuten haben wir exzellent verteidigt. Wenn ich den Elfmeter verwandelt hätte, hätten wir dem Druck wahrscheinlich bis zum Ende standgehalten. Aber Barthez hat meine Ecke geahnt. Vor seiner Parade ziehe ich meinen Hut. Wir müssen uns wieder aufrappeln und unsere Lehren aus diesem Spiel ziehen. Aber diese Niederlage hatten wir wirklich nicht verdient.“
„Es sollte nicht sein“
Dieser Meinung war auch Torschütze Lampard. „Die Jungs sind jetzt natürlich niedergeschlagen“, meinte der Mann von Chelsea FC. „Wir haben gedacht, wir hätten die drei Punkte schon im Sack. Unsere Taktik schien ja zu greifen. Uns war klar, dass wir gegen solch eine Klassemannschaft solide und gestaffelt stehen sowie besonders in der Nähe unseres Strafraums gut verteidigen mussten. Wenn wir den Elfmeter verwandelt hätten, wären wir als Sieger vom Platz gegangen. Aber es hat einfach nicht sollen sein.“
Eriksson hofft auf Revanche
Englands Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson hat die Partie ebenfalls schon abgehakt. “Wir dachten, wir hätten das Spiel gewonnen. Es wäre besser gewesen, wenn wir es denn wirklich getan hätten“, sagte der Schwede. „Nun müssen wir gegen die Schweiz und Kroatien gewinnen. Dazu sind wir durchaus in der Lage. Schließlich haben wir gegen das weltbeste Team hervorragend gespielt. Aber es ist die Frage, wie die Spieler diese Niederlage psychisch wegstecken. Hoffentlich haben wir gegen Frankreich am 4. Juli im Finale die Chance zur Revanche. Wir können schließlich nicht immer solches Pech haben.”
Parade als Schub
Erikssons Pendant Jacques Santini, der im August den Trainerjob beim englischen Tottenham Hotspur FC übernehmen wird, lobte sein Team und benannte den Wendepunkt der Partie: „Wir haben die Begegnung in der zweiten Halbzeit mit geduldigem Spiel in den Griff bekommen. Aber der gehaltene Elfmeter von Barthez hat uns mental und körperlich sicher einen großen Schub gegeben.“
Zidane majestätisch
Mit seiner tollen Parade beim Strafstoß seines ehemaligen Manchester United FC-Mannschaftskameraden Beckham avancierte Barthez gewiss zum Helden an diesem Abend. Der Matchwinner aber war er nicht. Diese Bezeichnung hatte sich Zidane verdient, der zwangsläufig auch zum Carlsberg-Spieler des Spiels gewählt wurde. Der majestätische Spielmacher ist in herausragender Form. Deshalb spricht wenig gegen einen weiteren Durchmarsch der Franzosen beim europäischen Fußballtreffen in Portugal.