Gastgeber Portugal im Endspiel der EURO 2004
Mittwoch, 30. Juni 2004
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Portugal - Niederlande 2:1
Die Portugiesen zittern sich nach 2:0-Vorsprung über die Zeit und stehen als erster Finalist fest.
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Portugal steht Kopf. Der Gastgeber der UEFA EURO 2004 ist zum ersten Mal in der Geschichte ins Finale um den Titel des Europameisters eingezogen. Die Mannschaft von Nationalcoach Luiz Felipe Scolari bezwang in Lissabons Estádio José Alvalade die Niederlande verdient mit 2:1.
Angetrieben von einem überragenden Luis Figo sorgten Cristiano Ronaldo und Maniche für die Treffer der Portugiesen, Jorge Andrades Eigentor ließ "Oranje" nur vorübergehend hoffen. Im Endspiel wartet nun Griechenland oder Tschechien.
Im Duell jener beiden Offensiv-Mannschaften, welche die bislang meisten Torchancen bei der EURO herausgespielt hatten, entschied sich Scolari abermals für eine 4-2-3-1-Formation mit Pauleta als einziger Spitze. Superstar Figo durfte trotz seiner Auswechslung im Viertelfinale gegen England von Beginn an ran. Rui Costa saß nur auf der Bank.
Bei "Oranje" ersetzte Wilfred Bouma in der Innenverteidigung den verletzten Kapitän Frank de Boer. Für den zuletzt schwächer gewordenen Andy Van der Meyde kam "Routinier" Marc Overmars ins Team, um im klassischen 4-3-3 von Bondscoach Dick Advocaat Druck über den rechten Flügel zu erzeugen.
Wer sollte den ersten Fehler machen? Ganz in diesem Zeichen stand die Anfangsphase im ersten Halbfinale des Turniers. Mit viel Respekt und vorsichtigem Abtasten gingen beide Mannschaften in die Partie, das Geschehen beschränkte sich auf ein schleppendes Mittelfeldgeplänkel.
Ausgerechnet Figo war es, der schließlich für den EURO-Gastgeber die ersten Torgelegenheiten herausarbeitete. Bissig und sichtlich bemüht suchte der Kapitän immer wieder die Eins-gegen-Eins-Situationen, setzte sich nach zehn Minuten über rechts sowie in der 18. und 24. Minute über die linke Seite durch. Doch weder Pauleta noch Ronaldo, der gleich zwei Mal aussichtsreich an den Ball kam, konnten die scharfen Hereingaben per Fuß verwerten.
Außer einem 25-Meter-Distanzschuss von Philipp Cocu war von den enttäuschenden Niederländern nichts zu sehen. Auch, weil Overmars und Arjen Robben auf den Flügeln einen ganz schweren Stand hatten. Dafür spielte Portugal mit zunehmender Spieldauer ganz groß auf. Nur logisch, dass die portugiesischen Fans dann nach 26 Minuten völlig aus dem Häuschen gerieten: Ein Deco-Eckball landete maßgeschneidert auf dem Kopf von Ronaldo, der Giovanni Van Bronckhorst abschütteln konnte und das Leder aus kürzester Distanz zur 1:0-Führung ins Netz drückte.
Nun war "Oranje" erwacht. Noch in der gleichen Minute setzte sich Edgar Davids auf der linken Seite durch, kam zur Flanke, und der von Ricardo Cavalho nicht entscheidend geklärte Ball landete bei Overmars. Doch der Rechtsaußen drosch den Volleyschuss aus sechs Metern weit über die Querlatte. Nur kurze Zeit später setzte schließlich auch Clarence Seedorf eine Davids-Flanke aus vier Metern per Kopf am Tor vorbei, und ein Treffer von Ruud van Nistelrooij wurde vom schwedischen Unparteiischen Anders Frisk aufgrund einer Abseitsposition aberkannt.
Auf der Gegenseite hätte Pauleta in der 35. Minute bereits früh für eine Vorentscheidung sorgen können, doch der unglücklich agierende Angreifer schoß nach einer scharfen Hereingabe von Maniche aus sechs Metern genau in die Arme von Schlussmann Edwin Van der Sar. Noch mehr Glück hatte die Advocaat-Elf sogar vier Minuten vor dem Pausenpfiff, als Figo nach einzigartigem Solo über rechts mit dem linken Fuß aus 15 Metern nur den zweiten Pfosten traf. Der Mann von Real Madrid CF strafte alle Kritiker Lügen und avancierte zum herausragenden Spieler der ersten 45 Minuten.
Der bereits mit Gelb verwarnte und nach zwei weiteren Fouls kurz vor dem Platzverweis gestandene Overmars blieb nach dem Seitenwechsel in der Kabine. Für ihn brachte Advocaat FC Bayern Münchens Torjäger Roy Makaay. Doch trotz des personellen Wechsels blieben die Niederländer ideenlos, wenngleich sie nun auch mehr Druck auszuüben vesuchten. Van der Sar hatten sie sogar zu verdanken, dass sie nach 54 Minuten nicht das zweite Gegentor hinnehmen mussten, denn der Schlussmann vom FC Fulham hielt im Eins-gegen-Eins mit Pauleta in Weltklasse-Manier.
Die Lethargie von "Oranje" sollte sich aber dennoch rächen, denn in der 58. Minute folgte der atemberaubende Auftritt von Maniche: Deco führte eine Ecke kurz auf den defensiven Mittelfeldspieler aus, der 26-Jährige nahm ohne zu zögern vom Strafraumeck Maß und setzte seinen Knaller genau in den Winkel des hinteren Tordreiecks - ein Traumtor zum 2:0.
Eines war klar: Die Niederlande hatte nur unter Mithilfe der Portugiesen noch die Chance, ins Spiel zurückzufinden. Und so war es auch. Nach 63 Minuten wollte Verteidiger Jorge Andrade eine Robben-Flanke vor dem heraneilenden van Nistelrooij klären, traf den Ball unglücklich, und dieser segelte über Torhüter Ricardo hinweg ins eigene Tor. Mit dem überraschenden Anschlusstreffer war der Europameister von 1988 wieder im Spiel.
Advocaat brachte prompt mit dem kopfballstarken Pierre van Hooijdonk einen dritten Stürmer und warf alles nach vorne. Die portugiesische Mannschaft wurde in die eigene Hälfte gedrängt und konzentrierte sich auf gelegentliche gefährliche Konter. Doch spätestens, als Scolari die Defensive mit Ex-Kapitän Fernando Couto verstärkte, erwies sich das Abwehr-Bollwerk Portugals als zu stark für die niederländischen Angriffe.
Für mehr als einen 21-Meter-Freistoß von van Hooijdonk, der in der portugiesischen Mauer steckenblieb, reichte es nicht mehr. In der Schlussminute scheiterte Deco sogar noch alleinstehend vor Van der Sar. "Oranje" scheiterte an der eigenen Behäbigkeit und muss nun den schweren Weg nach Hause antreten.
Aufstellungen
Portugal: Ricardo; Nuno Valente, Ricardo Carvalho, Jorge Andrade, Miguel; Figo (K), Costinha, Deco, Maniche (Fernando Couto 87), Ronaldo (68. Petit); Pauleta (75. Nuno Gomes)
Bank: Quim, José Moreira, Paulo Ferreira, Rui Jorge, Rui Costa, Simão, Beto, Tiago, Hélder PostigaTrainer: Luiz Felipe Scolari
Niederlande: Van der Sar; Van Bronckhorst, Bouma (56. Van der Vaart), Stam, Reiziger; Cocu (K), Seedorf, Davids; Robben (81. Van Hooijdonk), Van Nistelrooy, Overmars (46. Makaay)
Bank: Westerveld, Waterreus, Van der Meyde, Kluivert, Sneijder, Heitinga, Bosvelt, Zenden
Trainer: Dick Advocaat
Schiedsrichter: Anders Frisk (Schweden)
Man of the Match: Luís Figo (Portugal)