Champions-League-Endspiel: Geburtstagswünsche von Paris

Lange vor dem Abpfiff im Halbfinale gegen Leipzig werden sich viele Fans von Paris über dieses sonderbare Gefühl gewundert haben: Die eigene Mannschaft bestreitet gerade ein entscheidendes Spiel in der K.-o.-Runde der UEFA Champions League, doch anders als sonst kann man sich zurücklehnen und die Partie ohne nervöses Kauen an den Fingernägeln genießen.

Die Franzosen haben in den letzten Jahren mehrere dramatische Achterbahnfahrten erlebt und man muss sich tatsächlich die Frage stellen, warum eine Mannschaft mit so viel Qualität erst jetzt das Endspiel der Königsklasse erreicht hat.

Seit der Übernahme im Jahr 2011 hat sich im Verein einiges verändert. Und jetzt, ausgerechnet im Jahr des 50. Bestehens, winkt der ganz große Wurf. Getreu dem eigenen Motto "Träume größer" ist man nur noch 90 Minuten vom größten Erfolg der Vereinsgeschichte entfernt.

Wie so oft begann die PSG-Saison mit einem Spaziergang durch die Gruppenphase. Real Madrid wurde mit 3:0 aus dem Stadion geschossen und trotzdem waren die Protagonisten bemüht, den Ball flach zu halten. "Wenn mich jemand fragt, ob wir die Champions League gewinnen, dann bin ich weg", sagte Trainer Thomas Tuchel.

Trotzdem erschien in der nächsten Ausgabe von L’Équipe ein Artikel mit der Überschrift: "Eine Botschaft an ganz Europa". Das Magazin sollte sich nicht täuschen. Nur Madrid leistete beim 2:2-Remis im November noch ein wenig Gegenwehr. Unter Tuchel präsentierte sich Paris mit neuen Eigenschaften: Zu den gewohnten Momenten des Spektakels war auch eine gewisse Effizienz hinzugekommen.

Natürlich ist dies vor allem mit Blick auf einen Fußball-Kalender schon eine halbe Ewigkeit her, aber um die Entwicklung dieser Mannschaft zu verstehen, gehören eben auch die guten Vorstellungen eines Mauro Icardi (fünf Tore in der Gruppenphase) und nur sehr spärliche Einsätze von Neymar (nur 105 Minuten Europapokal bis Weihnachten) und Mbappé.

Letzteres Duo ist ohne Zweifel das Prunkstück dieser Mannschaft. Neymars Überblick und seine perfekte Technik ergänzen sich hervorragend mit der Explosivität von Mbappé. "Sie sind der Pfeil und der Bogen", meint Alain Roche, ein ehemaliger Spieler von Paris. Ángel Di María, mit seinen drei Toren und sechs Vorlagen, müsste nach dieser Logik aber mindestens die Sehne des Bogens sein.

Wie in jeder erfolgreichen Mannschaft gibt es auch Helden, die nicht mit dem ersten Atemzug ins Rampenlicht geredet werden. So zum Beispiel Torwart Keylor Navas, dank dem Paris erstmals seit Jahren eine unangefochtene Nummer eins hat. Auf die Führungsqualitäten eines Thiago Silva kann sich Paris weiterhin verlassen, auch wenn sein Vertrag wohl nicht verlängert wird. Und ohne den denkwürdigen Joker-Auftritt von Eric Maxim Choupo-Moting im Viertelfinale gegen Atalanta würde es diesen Artikel nicht geben .

Selbst Neymar, der letzten Sommer noch mit einem Abschied liebäugelte, ist jetzt Feuer und Flamme. "Ich erlebe gerade meine beste Zeit in Paris", sagte er vor dem Viertelfinale. "Wir bilden eine Familie, in der sich alle dem großen Ziel unterordnen" - eine Einschätzung, die man nach den Jubelbildern im Anschluss an den Achtelfinal-Sieg über Borussia Dortmund durchaus nachvollziehen konnte.

Drei Wochen vorher hatte Paris mit 1:3 beim BVB verloren, die Kritiker unkten bereits über ein erneutes Desaster und Tuchels Stuhl schien zu wackeln. Seitdem hat die Geschichte neue Kapitel bekommen und nun könnte sich die Mannschaft aus der Stadt des Lichts im Stadion des Lichts selbst beschenken.

Dieser Artikel erschien in einer abgewandelten Form im offiziellen Final-Programm der UEFA Champions League Final Programme. Hier kann man das Magazin bestellen