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Technischer Bericht der Champions League 5: Was bringt die Verlängerung?

Im fünften Teil des neuen Technischen Berichts zur UEFA Champions League befasst sich das Expertengremium genauer mit der Verlängerung.

Bayern drehte gegen Juventus in der Verlängerung auf
Bayern drehte gegen Juventus in der Verlängerung auf ©AFP/Getty Images

Die wichtigsten Zahlen:
Tore in der Verlängerung (Nur Spiele nach der Gruppenphase)
2015/16: 2 (in 3 Spielen) – 1 von 3 Spielen in der Verlängerung entschieden
2014/15: 2 (2) – 1 von 2 Spielen in der Verlängerung entschieden
2008/09–2013/14: 4 (5)  – 2 von 6 Spielen in der Verlängerung entschieden
2002/03–2007/08: 10 (7) – 4 von 11 Spielen in der Verlängerung entschieden
1992/93–2001/02: 7 (5) – 3 von 5 Spielen in der Verlängerung entschieden

"Keiner will Verlängerungen spielen." Diese Aussage eines der technischen Beobachter am Tag nach dem Finale löste eine lebhafte Diskussion über die zusätzliche halbe Stunde aus.

Diego Simeone konnte man nachsehen, dass er der Verlängerung mit gemischten Gefühlen entgegenblickte, als der Schiedsrichter in Mailand die reguläre Spielzeit abpfiff – zwei Jahre zuvor hatte sein Team in Lissabon in der dritten Nachspielminute den Ausgleich kassiert und war anschließend in der zweiten Hälfte der Zusatzzeit mit 1:4 untergegangen, als Real Madrid die Verletzung von Rechtsverteidiger Juanfran gnadenlos ausnutzte und diesen ein ums andere Mal überlief.

Highlights: See how Real Madrid claimed glory in Milan

Der Atlético-Coach hatte bereits alle drei Wechsel vorgenommen und musste sich machtlos in die unvermeidliche Niederlage fügen. Das Endspiel 2014 bildete indessen eine Ausnahme.

2016 waren Tore in der Verlängerung wie üblich Fehlanzeige. Das zweitletzte Mal, dass in der Verlängerung eines Finales ein Treffer fiel, war 1992, in der letzten Saison vor der Einführung der heutigen UEFA Champions League: Ronald Koeman schoss den FC Barcelona im Wembley-Stadion per direktem Freistoß zum 1:0-Sieg über Sampdoria Genua.

Zwischen diesem Tag und dem Real-Torfestival in Lissabon 2014 waren sechs Verlängerungen torlos geblieben. Während in den 2 658 Partien der Champions-LeagueHistorie ein Schnitt von 2,68 Toren in der regulären Spielzeit verzeichnet wurde, fand der Ball in 220 Zusatzminuten kein einziges Mal den Weg ins Tor. Wie lässt sich das erklären?

Müdigkeit dürfte die naheliegendste Antwort sein. Die Beine brennen, Krämpfe mehren sich. Schlüsselspieler wie Gareth Bale, Cristiano Ronaldo und Luka Modrić bewegten sich nicht mehr so geschmeidig, und Peter Rudbæk meinte in Bezug auf die zwei Erstgenannten, dass es für Spieler mit einer solchen Explosivität schwierig sei, die Intensität über 120 Minuten aufrechtzuerhalten.

Andererseits wird gerade die Müdigkeit gerne als Begründung für eine größere Anzahl Tore angeführt. In der UEFA Champions League 2015/16 fielen 22,6 % aller Treffer in der Schlussviertelstunde und der Nachspielzeit. In dieser Zeitspanne trafen die Teams am häufigsten ins Schwarze. Kann vor diesem Hintergrund tatsächlich Müdigkeit die Hauptursache für die Torflaute in der Verlängerung sein? Oder liegt die Erklärung nicht eher in der Einstellung der Mannschaften?

Koeman erzielt 1992 das Siegtor

Das Golden Goal (nach dem ein Spiel sofort zu Ende war) ist zwar längst Geschichte, doch die Verhinderung eines Gegentreffers scheint in der Verlängerung immer noch höchste Priorität zu genießen.

Mixu Paatelainen verwies darauf, dass Atlético weitgehend auf Tempovorstöße verzichtet und Real nur zögerlich angegriffen habe. Man war sich der Konterstärke der Spieler von Zinédine Zidane offensichtlich bewusst und wollte nicht mit zu vielen Spielern vorrücken.

David Moyes fügte hinzu: "In der Verlängerung hatte ich den Eindruck, dass sich beide Teams mit dem Elfmeterschießen abgefunden hatten. Das Spiel fand gar nicht mehr statt."

Verlängerungen kommen in der UEFA Champions League verblüffend selten vor. Atlético Madrid scheint eine der wenigen Ausnahmen zu sein: Neben den beiden Endspielen gegen Stadtrivale Real mussten die "Rojiblancos" auch im diesjährigen Achtelfinale gegen den PSV Eindhoven wie auch im Achtelfinale 2014/15 gegen Bayer Leverkusen eine 30-minütige Zusatzschlaufe einlegen. Beide Male fiel die Entscheidung erst im Elfmeterschießen.

Die Frage, die sich aufdrängt, ist ganz einfach: Sind Verlängerungen Zeitverschwendung und sollen sie abgeschafft werden? In den K.-o.-Runden vor dem Finale könnte so vermieden werden, dass eine Mannschaft 30 Minuten mehr zu Hause bestreiten kann.

Doch was ist mit den Fans? War die Verlängerung für die Zuschauer im San Siro keine willkommene Zusatzunterhaltung? Oder war das Dargebotene aufgrund der risikoarmen Spielweise aus Sicht des neutralen Beobachters eher eine Qual?

Was ist aus sportlicher Sicht vorzuziehen – der direkte Gang in die Lotterie des Elfmeterschießens oder die Möglichkeit, die Entscheidung im Spiel herbeizuführen? Es stellen sich auch andere Fragen: Wie können die Teams ermutigt werden, in der Verlängerung mehr Risiken einzugehen?

Könnte man das Elfmeterschießen etwa vor Beginn der Verlängerung durchführen? Wäre Atlético Madrid dann im Wissen um das verlorene Elfmeterschießen offensiver aufgetreten?

Oder wäre die taktische Ausgangslage dadurch zu klar gewesen und hätte Real dazu verleitet, den "Vorsprung" nur noch zu verteidigen? Gibt es weitere Alternativen, um den allzu häufig torlosen Verlängerungen entgegenzuwirken?

Dieser Artikel ist auch im neuen Technischen Bericht zur UEFA Champions League 2015/16 abrufbar: Hier geht's zum Download.

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