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Schiedsrichterinnen sollen sich für EM empfehlen

Für die europäischen Schiedsrichterinnen rückt die UEFA Women’s EURO 2022 in England langsam ins Blickfeld. Sie möchten sich für Einsätze bei der Endrunde aufdrängen und die UEFA hat eine einfache Motivationsbotschaft für sie: „Zeigt, dass ihr gut genug seid, um dabei zu sein!“

Das Schiedsrichterinnengespann bereitet sich auf den Anpfiff vor.
Das Schiedsrichterinnengespann bereitet sich auf den Anpfiff vor. UEFA via Getty Images

Die ehemalige schwedische Schiedsrichterin Jenny Palmqvist, die auf höchster FIFA- und UEFA-Stufe Spiele geleitet hat und unter anderem bei zwei WM-Endrunden, drei olympischen Spielen und zwei EM-Endrunden sowie beim Endspiel der UEFA Women’s Champions League 2012 und beim Rückspiel des Finales des UEFA-Frauenpokals 2009 im Einsatz stand, führte jüngst die neuste Generation europäischer Schiedsrichterinnen durch einen Online-Winterkurs der UEFA.

500 Tage vor dem Auftakt der nächsten Women’s EURO beantwortete Palmqvist, die nun dem UEFA-Ausschuss für Schiedsrichterentwicklung angehört, die Fragen von UEFA.com über das Schiedsrichterwesen der Frauen, die schwierige Aufgabe für die weiblichen Referees, mit dem sich rasant entwickelnden Frauenfußball Schritt zu halten sowie über die Herausforderungen, welche die Schiedsrichterinnen bewältigen müssen, um sich einen Platz im Rampenlicht der Frauen-EM-Endrunde im Sommer 2022 zu sichern.

UEFA.com: Was waren die wichtigsten Themen, die Sie mit den Schiedsrichterinnen beim UEFA-Winterkurs besprochen haben?

Jenny Palmqvist: Unser Ziel ist, zu einheitlichen Entscheidungen zu gelangen. Wir haben das Augenmerk darauf gelegt, dass die Schiedsrichterinnenteams in wichtigen Spielsituationen die korrekte Entscheidung treffen.

Die ehemalige internationale Schiedsrichterin Jenny Palmqvist, die nun dem UEFA-Ausschuss für Schiedsrichterentwicklung angehört.
Die ehemalige internationale Schiedsrichterin Jenny Palmqvist, die nun dem UEFA-Ausschuss für Schiedsrichterentwicklung angehört.UEFA

Welche technischen Weisungen und Richtlinien haben Sie den Referees für die zweite Saisonhälfte mitgegeben?

Das zentrale Thema des Kurses war, dass die Schiedsrichterinnen sich darauf vorbereiten sollen, das bestmögliche Blickfeld zu haben, damit sie bei Strafraumszenen richtig entscheiden. Wir streben in verschiedenen Bereichen des Spiels nach Einheitlichkeit – Handspiel, Halten, Vereiteln einer klaren Torchance und Tacklings.

Der Kurs war ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Women’s EURO. Es wird hart auf die Endrunde in England hingearbeitet...

Und wie! Unsere Auswahl an starken Schiedsrichterinnen der Elite- und der ersten Kategorie ist besser denn je – jetzt liegt es an ihnen, ihre Fähigkeiten, ihre Leidenschaft sowie ihre Entscheidungs- und Führungsstärke unter Beweis zu stellen und sich einen Platz im EM-Team zu sichern.

Kann man mit Näherrücken der Frauen-EM sagen, dass das Potenzial und die Qualität der europäischen Schiedsrichterinnen noch nie höher war?

Die europäischen Schiedsrichterinnen gehören in Sachen Potenzial und Qualität zu den besten der Welt, und wir haben ihnen gesagt, sie sollen uns durch ihre Leistungen auf dem Platz zeigen, dass sie einen Platz im EM-Team verdient haben. Wir möchten eine Situation haben, bei der uns das Auswahlverfahren so schwierig wie möglich gemacht wird...

Sie waren selber bei großen Turnieren dabei – wie sind Ihnen diese Erfahrungen in Erinnerung geblieben?

Endrunden sind der Höhepunkt in der Karriere eines Referees, vor allem weil es unzählige Stunden Training und Vorbereitung braucht, um dorthin zu gelangen. Wenn man für ein Turnier wie die EM-Endrunde aufgeboten wird, mit den Mannschaften aufs Spielfeld einläuft und die Nationalhymnen hört, haben sich alle Opfer gelohnt... Die dabei gesammelten Erinnerungen und geschlossenen Freundschaften bleiben ein Leben lang erhalten.

Was beeindruckt Sie heute an den europäischen Schiedsrichterinnen am meisten?

Sie bringen Opfer und sind mit vollem Einsatz bei der Sache. Sie lieben den Job als Schiedsrichterin, und sie lieben den Fußball. Der moderne Frauenfußball entwickelt sich schnell, und sie stellen kontinuierlich ihre Anpassungsfähigkeit unter Beweis, vor allem was neue Weisungen, Feedback geben und erhalten sowie das Lernen technischer Aspekte des Spiels anbelangt – dadurch können sie erstklassige Leistungen erbringen.

Schiedsrichterin Stéphanie Frappart beim Europa-League-Spiel zwischen Granada und Omonia im vergangenen November.
Schiedsrichterin Stéphanie Frappart beim Europa-League-Spiel zwischen Granada und Omonia im vergangenen November.Getty Images

Mehrere Schiedsrichterinnen haben sich im Männerfußball etabliert, darunter Stéphanie Frappart, die einen UEFA-Superpokal und mehrere Spiele der UEFA-Klubwettbewerbe geleitet hat. Mehrere ihrer Kolleginnen kommen in ihren Ländern auch in der höchsten Männerliga zum Zuge. Wie ist Ihre Einschätzung dazu? Kann dies eine Motivation für alle Schiedsrichterinnen darstellen?

Ich denke, dass alle Referees als Referees beurteilt werden möchten, unabhängig von ihrem Geschlecht. Schiedsrichterinnen, die in Männerligen tätig sind, bringen die nötigen Voraussetzungen in Sachen Fitness, Spielverständnis und Spielleitung mit, die jeden Topreferee ausmachen – sie zeigen, dass Chancengleichheit herrscht, sofern die Leistungen stimmen.

Sie haben eine erfolgreiche Karriere als Schiedsrichterin hinter sich. Was hat sich seit Ihrer aktiven Zeit für die weiblichen Referees verändert? Was sind die Unterschiede zwischen damals und heute?

In den letzten zehn Jahren haben sich die Spielerinnen in Sachen Tempo und Technik weiterentwickelt. Außerdem ist die Aufmerksamkeit für den Frauenfußball dank TV, Medien und Sponsoren eindeutig größer geworden. Die Coaching-Standards sind gestiegen und es kommen sportwissenschaftliche Aspekte ins Spiel. Ich finde auch, dass das Leistungsgefälle der Mannschaften in jeder Liga und bei Turnieren kleiner geworden ist, wir sehen mehr umkämpfte Partien.

Durch die gewaltigen technischen und taktischen Fortschritte im Frauenfußball sind die Schiedsrichterinnen gefordert – sie müssen damit Schritt halten. Sind Sie mit ihrer Entwicklung im Vergleich zum gesamten Frauenfußball zufrieden?

Die UEFA ist mit den Fortschritten im Schiedsrichterwesen in den letzten Jahren sehr zufrieden. Wir haben das Schiedsrichter-Exzellenzzentrum (CORE) auf den Weg gebracht, in dem talentierten Referees – Männer und Frauen – vermittelt wird, welche Anforderungen und welchen Trainingsaufwand es braucht, um an die Spitze zu gelangen. Das CORE-Programm hat zu ausgezeichneten Ergebnissen geführt, zahlreiche Teilnehmende sind zu Topreferees geworden. Und was sehr wichtig ist: Sie verbessern kontinuierlich ihre taktischen Kenntnisse. Diese Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter haben von den Investitionen der UEFA und ihrer Nationalverbände profitiert, insbesondere durch das Coaching, das sie bei UEFA-Seminaren erhalten.

Die Schiedsrichterinnen Jana Adámková (links) und Esther Staubli im Gespräch mit Jenny Palmqvist.
Die Schiedsrichterinnen Jana Adámková (links) und Esther Staubli im Gespräch mit Jenny Palmqvist.UEFA via Getty Images

Im Männerfußball wurden in den letzten Jahren Video-Schiedsrichterassistenten (VSA) eingeführt. Wo stehen wir diesbezüglich in den UEFA-Frauenwettbewerben?

Beim Finale der UEFA Women’s Champions League der letzten Saison wurde das System bereits eingesetzt, und es wird auch beim diesjährigen Finale sowie bei der Women’s EURO in England zum Zuge kommen. Beim jüngsten VSA-Kurs der UEFA wurden Schiedsrichterinnen entsprechend geschult.

Nachdem Sie selber Schiedsrichterin auf höchstem Niveau waren, muss es Ihnen große Freude bereiten, mit der heutigen Generation zu arbeiten und Ihre Erfahrungen zu teilen...

Ja, ich war schon immer fußballbegeistert, und jetzt meine Erfahrungen an Schiedsrichterinnen weiterzugeben, die Grenzen überwinden, ist sehr bereichernd.

Alle Referees haben eine schwierige Zeit hinter sich durch all die Einschränkungen und Schwierigkeiten, welche die Pandemie verursacht hat. Wie hat die UEFA – und die Schiedsrichtergilde – diese Situation Ihrer Meinung nach gemeistert?

Die Referees haben sich flexibel gezeigt und waren zu kurzfristigen Einsätzen bereit, selbst wenn dies mit komplizierten Reisen und längeren Abwesenheiten von Zuhause verbunden war. Ich muss sagen, dass sie sich höchst professionell der Situation angepasst und so eine reibungslose Austragung der Spiele ermöglicht haben.

Was ist Ihre Botschaft an die europäischen Schiedsrichterinnen – insbesondere jene, die für die EM-Endrunde 2022 in Frage kommen?

Es bleiben weniger als 500 Tage bis zum Turnier... Jetzt ist für jede Schiedsrichterin die Zeit gekommen zu zeigen, dass sie mit von der Partie sein möchte. Jedes Spiel ist eine Chance, uns in Sachen Fitness, Spielverständnis und Spielleitung zu überzeugen. Wir suchen Schiedsrichterinnen, die sich selber hinterfragen und in jedem Spiel steigern wollen. Entscheidend ist, dass sie auf und neben dem Rasen offen und demütig bleiben. Unsere EM-Schiedsrichterinnen sollen erstklassige Fußballbotschafterinnen und auch Vorbilder sein, die höchste Standards anstreben.

Eine letzte Frage: Welchen Rat geben sie einem Mädchen, das mit einer Tätigkeit als Schiedsrichterin liebäugelt?

Wenn du fußballbegeistert bist, spricht nichts dagegen, Schiedsrichterin zu werden, im Gegenteil. Als Schiedsrichterin entwickelst du Führungsqualitäten und lernst, schnelle Entscheidungen zu treffen, in einem Team zu arbeiten und zu kommunizieren. Und als Schiedsrichterin hast du noch einen weiteren riesigen Vorteil: Abgesehen davon, dass du in einem Sport aktiv bist, den du liebst, kannst du Freundschaften fürs Leben knüpfen und wunderbare Erfahrungen sammeln…