Kellermann peilt Wolfsburg-Hattrick an
Mittwoch, 25. Mai 2016
Artikel-Zusammenfassung
Wolfsburgs Ralf Kellermann könnte der erste Trainer der Champions-League-Geschichte werden, der den Titel dreimal gewinnt. Mit UEFA.com spricht er über das Finale am Donnerstag gegen Lyon und die Entwicklung seines Klubs.
Top-Medien-Inhalte des Artikels
Artikel-Aufbau
Kein Trainer konnte die UEFA Women's Champions League bisher häufiger als zweimal gewinnen. Wolfsburgs Ralf Kellermann wird das vielleicht bald ändern.
Seit 2008 - also noch bevor Wolfsburg überhaupt zur deutschen Elite zählte - arbeitet Kellermann als Trainer für den Klub. Nach dem Halbfinal-Aus im vergangenen Jahr entschied sich der 47-Jährige, einige Veränderungen am Kader vorzunehmen. Im Interview mit UEFA.com spricht er über die Wolfsburger Saison und das Finale gegen Lyon, die man bereits 2013 im Endspiel besiegen konnte.
UEFA.com: Herr Kellermann, bis jetzt haben Sie zweimal das Finale gewonnen. Jetzt stehen Sie wieder in einem Champions-League-Endspiel. Wie groß ist die Vorfreude, wieder ein Finale bestreiten zu können?
Ralf Kellermann: Es ist etwas ganz Besonderes - wie bei den ersten beiden Teilnahmen auch. Bis ins Finale ist es ein langer Weg, der aufgrund der immer größer werdenden Konkurrenz auch immer schwieriger wird.
Wir freuen uns jetzt schon auf den 26. Mai, die Vorfreude ist riesengroß - zumal ich mir auch schon das Stadion anschauen konnte. Mit den Bedingungen im Stadion und mit dem Platz an sich sind wir sehr glücklich. Eine sehr gute Wahl.
UEFA.com: Der Gegner ist kein Unbekannter. Olympique Lyon war bereits 2013 Gegner im Finale. Wo liegen die speziellen Stärken der heutigen Mannschaft?
Kellermann: Lyon war damals schon weiter in der Spielanlage als wir. Sie haben technisch hervorragend ausgebildete Spielerinnen. Ich habe Ende September in weiser Voraussicht die Chance genutzt, das Spiel von Paris gegen Lyon in der französischen Liga anzuschauen, um zu sehen, wie das Niveau des Teams mittlerweile ist. Der Riesenunterschied in der Qualität bei Lyon und Paris war beeindruckend - was ja auch in den beiden Halbfinalspielen zum Tragen gekommen ist. Lyon spielt einen ausgezeichneten technischen Fußball und ist auf allen Positionen weltklasse besetzt.
Sie haben meiner Meinung nach auch in der Effizienz nach vorne nochmal zugelegt. Der französischen Nationalmannschaft sagt man ja gerne nach, dass sie technische die beste Mannschaft der Welt ist, aber im Abschluss Probleme hat. Auf Lyon trifft das überhaupt nicht zu - was mit Sicherheit auch an den vielen ausländischen Kräften im Angriff liegt.
UEFA.com: Was wird der Schlüssel sein, um gegen ein solches Team erneut bestehen zu können?
Kellermann: Ich denke, dass Lyon aufgrund der tollen Leistungen und der Kadersituation leicht favorisiert ist. Aber wir haben 2013 gezeigt, dass man auch solche Mannschaften schlagen kann. Wir haben eine Menge Selbstvertrauen und haben - wenn ich zum Beispiel an das Hinspiel gegen Frankfurt denke, wo wirklich alles gepasst hat - speziell in der Champions League tolle Leistungen abgerufen. Wenn wir so einen Tag haben, dann sind wir in der Lage, Lyon zu schlagen.
Trotzdem muss man noch abwarten, welcher Kader zur Verfügung steht. Wir haben Langzeitverletzte, die uns natürlich fehlen - wenn ich an Caroline Hansen denke, die gerade in solchen Spielen schon mal den Unterschied machen kann. Viel darf also nicht mehr passieren. Aber wir haben uns intensiv mit Lyon beschäftigt, das ein oder andere Spiel beobachtet und hoffentlich den richtigen Plan, um letzten Endes den Pokal in den Himmel zu strecken.
UEFA.com: Lara Dickenmann hat vor kurzem gesagt, dass die Bundesliga im Vergleich zur französischen Liga in der Breite besser aufgestellt sei. Mit engen Spiele kennen sich die Französinnen also nicht so gut aus. Kann daraus im Hinblick auf das Finale ein Vorteil für Ihr Team gezogen werden?
Das soll nicht respektlos gegenüber den anderen Mannschaften klingen, aber wenn Lyon zu einem Spiel gegen den Vierten oder Fünften fährt, dann geht es nicht darum, ob sie gewinnen werden. Sondern nur, wie hoch das Ergebnis ausfällt. In der Bundesliga muss man auch beim Tabellenneunten eine Top-Leistung abrufen, um die drei Punkte zu behalten. Das ist ein Riesenvorteil für die Mentalität der Mannschaft, weil sie viel häufiger an die Grenzen gehen muss. 2013 haben wir genau auf diese Tatsache gebaut. Damals habe ich vor dem Spiel gesagt: Wenn wir es schaffen, mit einem 0:0 in die Kabine zu gehen, dann fängt Lyon an nachzudenken. Sie kennen solche Situationen aus der Liga ja nicht. Deshalb werte ich das als Vorteil.
UEFA.com: In der Liga lief es gerade in der Hinrunde etwas holprig. Das gilt nicht für die Champions League, dort spielte die Mannschaft von Beginn an gut. Woran lag das?
Kellermann: Das hat überwiegend mit den Neuzugängen zu tun, die am Anfang der Saison integriert werden mussten. Dazu kam noch die Weltmeisterschaft. Außerdem ist ein Champions-League-Spiel immer etwas Besonderes. Das merkt man schon in der Vorbereitung und an der Körpersprache der Spielerinnen. Ein schlechter Tag reicht aus, um aus dem Wettbewerb zu fliegen. Von daher ist dort der Fokus vielleicht etwas größer als in der Liga.
Für die Entwicklung der Mannschaft war es dann natürlich auch wichtig, dass die Führungsspielerinnen wieder zurückgekommen sind. Ich denke da zum Beispiel an Nilla Fischer, die eine sensationelle Rückrunde gespielt hat. Oder auch Alex Popp oder Almuth Schult hinten im Tor. Wenn diese Führungsspielerinnen funktionieren und vorne weggehen, dann ist es auch für die Spielerinnen aus der zweiten Reihe deutlich einfacher, Selbstvertrauen zu entwickeln und bessere Leistungen zu bringen.
Nach der Winterpause kam es zu deutlichen Leistungssteigerungen bei Élise Bussaglia, Ramona Bachmann und Lara Dickenmann. Wenn wir den kompletten Kader zur Verfügung haben und uns wirklich fünf, sechs Wochen gezielt auf etwas vorbereiten, dann werden bei uns die taktischen Sachen gut umgesetzt und die Spielerinnen verkörpern die Art und Weise, wie wir spielen wollen. Gute Einzelspielerinnen haben wir, aber es muss eben als Mannschaft immer zusammenpassen. Hier haben wir in den letzten Monaten deutlich zugelegt.
UEFA.com: Martina Müller hat nach der vergangenen Saison aufgehört, Nadine Keßler musste leider sehr früh ihre Karriere beenden. Wie schmerzlich ist es, solche Spielerinnen plötzlich nicht mehr im Kader zu haben?
Kellermann: Wir konnten uns zwar vorbereiten, aber natürlich fehlt Martina als Typ. Wer in den letzten Jahren Martina hat spielen sehen, der weiß, dass sie immer alles gibt. Diese Mentalität hat uns gefehlt.
Bei Nadine Keßler ist es schlicht und einfach eine Tragödie, dass sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere kein einziges Spiel mehr gemacht hat und viel zu früh ihre Karriere beendet musste. Sie fehlt uns als Stratege und als Leader auf dem Platz. Spielerinnen, die solche Eigenschaften verkörpern, wachsen nicht auf Bäumen.
Mittlerweile haben wir es aber gut hinbekommen, diese beiden extrem wichtigen Spielerinnen, die so viel für den Verein erreicht haben, irgendwie zu ersetzen.