Löws einzige Schwachstelle
Mittwoch, 23. März 2011
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Deutschland kann aus einem großen Pool talentierter Spieler auswählen, nur die Besetzung des Linksverteidigers macht Sorgen. Eigentlich ist das seit der FIFA-WM 1990 und Andreas Brehme der Fall.
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Die deutsche Nationalmannschaft kann sich vor talentierten und starken Spielern kaum retten. Im Sturm trifft Miroslav Klose für die Nationalelf fast nach Belieben, doch sollte er ausfallen, stünde mit Mario Gomez der mit 19 Toren beste Bundesliga-Torschütze parat. Auf der Torhüterposition ist für die nächsten zehn Jahre ausgesorgt. Im Mittelfeld machen die Bender-Zwillinge und Mario Götze stark auf sich aufmerksam, während der in den letzten Jahren als großes Talent gepriesene Marko Marin für die zwei anstehenden Spiele gegen Kasachstan und Australien schon keine Aufnahme in den Kader mehr fand. Auch in der Innenverteidigung sieht die Zukunft etwa durch Mats Hummels und Benedikt Höwedes positiv auf. Nur auf dem Posten des Linksverteidigers zeichnet sich keine klare und unumstrittene Lösung ab. Das ist aber nicht wirklich neu.
Im Prinzip sucht Deutschland seit der siegreichen FIFA WM 1990 in Italien, als Andreas Brehme mit gefürchteten beidfüßigen Flanken die linke Flanke unsicher machte, einen unumstrittenen linken Außenverteidiger. Weder Christian Ziege, noch Jörg Heinrich, Marco Bode oder Marcell Jansen dort ähnlich überzeugen wie Brehme. Bei der FIFA WM 2010 ging Löw mit dem gelernten Innenverteidiger Holger Badstuber als linkes Glied der Viererkette in das Turnier und beendete es dort mit Jerome Boateng und Dennis Aogo.
Die Suche ging auch nach der Weltmeisterschaft weiter: Seit Südafrika durften Marcel Schäfer, Marcell Jansen, Philipp Lahm, Heiko Westermann, Marcel Schmelzer und Dennis Aogo als Linksverteidiger ran. Westermann, der in den beiden wichtigen Qualifikationsspielen zur UEFA EURO 2012 gegen die Türkei (3:0) und in Kasachstan (3:0) das Vertrauen bekam, blieb vor allem in der Spieleröffnung und Beweglichkeit vieles schuldig. Auch Badstuber dürfte als Linksverteidiger keine große Rolle mehr spielen. UEFA.com stellt die aussichtsreichsten Kandidaten für diese Position vor.
Dennis Aogo, 24, Hamburger SV
Der Sohn eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter gilt zurzeit als eine der vielversprechendsten Optionen auf den vakanten Posten, denn er hat einen starken linken Fuß, der wichtig ist, um die klassischen deutschen Zentralstürmer wie Klose oder Gomez bedienen zu können und ist taktisch ebenso abgeklärt wie in der Spieleröffnung. Manchmal jedoch fehlt ihm der auf dieser Position so wichtige Zug nach vorne. "Wir suchen ja schon länger nach einer linken Lösung. Dennis hat jedenfalls eine sehr gute Spielausführung", sagte Löw, während Aogo die Gespräche mit seinem Trainer in Südafrika noch gut in Erinnerung hat. "Der Bundestrainer hat mir gesagt, dass nach der WM meine Zeit kommen wird."
Marcell Jansen, 25, Hamburger SV
Vor der UEFA EURO 2008 galt Jansen als Deutschlands kommender Mann auf der linken Seite, doch eine hohe Verletzungsanfälligkeit gepaart mit manchen Fehlern in der Defensive sorgten dafür, dass seine vielgelobten Stärken in der Offensive nicht so zum Tragen kamen, wie das normal der Fall ist. Auch Löw lässt mit seiner Aussage erkennen, dass der gebürtige Mönchengladbacher nicht unbedingt die erste Wahl ist: "Marcell Jansen spielt in unseren Planungen eine Rolle. Er besitzt Fähigkeiten, die für uns sehr wichtig sein können - zum Beispiel sein Drang zum Tor. Wenn er einen guten Rhythmus hat, ist er auf der linken Seite eine Alternative." Jansens Vorteil liegt darin, dass er jederzeit auch im linken Mittelfeld einsetzbar ist.
Jerome Boateng, 22, Manchester City FC
Boateng übernahm während der FIFA WM 2010 den Posten des Linksverteidigers von Badstuber und spielte den Part solide und defensiv abgeklärt, ohne jedoch nach vorne große Akzente setzen zu können. Durch seinen rechten Fuß und die Tatsache, dass er vor allem robust, kopfballstark und überdurchschnittlich begabt in Zweikämpfen ist, ist er eigentlich eher in der Innenverteidigung oder im defensiven Mittelfeld zu Hause und dürfte als Linksverteidiger das bleiben, was er während der WM war: Eine Notlösung. "Zu seinen Qualitäten gehört, dass er in der Defensive vielseitig einsetzbar ist und spielerisches Potenzial besitzt. Jerome hat auf verschiedenen Positionen eine gute Leistung geboten, ob als Innen- und Außenverteidiger oder im defensiven Mittelfeld. Darüber hinaus hat er beim EM-Titelgewinn der U 21 einen starken Eindruck hinterlassen", lobte Löw Boateng im Sommer 2010.
Marcel Schmelzer, 23, Borussia Dortmund
Der gebürtige Magdeburger ist einer der großen Gewinner der starken Dortmunder Saison in der Bundesliga und debütierte am 17. November beim 0:0 in Schweden über die gesamte Spielzeit als Linksverteidiger. Der mit einem starken linken Fuß ausgestattete Schmelzer überzeugt durch hohe Laufbereitschaft, gutes Umschalten und cleveres Agieren sowohl offensiv wie defensiv. Internationale Reife muss er allerdings erst noch nachweisen, doch zurzeit ist er der neueste und vielleicht größte Hoffnungsträger Deutschlands auf dieser schwierigen Position. "Marcel Schmelzer ist ein Kandidat für die linke Außenposition, für die wir seit einigen Jahren eine dauerhafte Lösung suchen", hieß es auch von Löw.
Die Favoriten dürften erst einmal Aogo und Schmelzer sein, aber vielleicht kommt es auch wieder so wie schon früher: Kapitän Philipp Lahm rückt, obwohl Rechtsfuß, zurück auf die linke Seite (was wohl angeblich für die nächste Saison beim FC Bayern München ohnehin geplant ist) und macht rechts Platz für einen anderen Rechtsfuß, etwa Boateng. Die Aufstellung gegen Kasachstan am Samstag dürfte erste Hinweise geben.