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Technischer Bericht der EURO Teil 5: Ist Ballbesitz wichtig?

Im letzten Auszug des technischen Berichts der UEFA EURO 2016 überlegen die Experten, ob viel Ballbesitz sich überhaupt bezahlt gemacht hat.

Deutschland - Frankreich
Deutschland - Frankreich ©Getty Images

Nur 15 der 51 Spiele der EURO 2016 gewann die Mannschaft mit den höheren Ballbesitzwerten.

©Getty Images

BALLBESITZQUOTE
Deutschland 63% (erreichte das Halbfinale)
Spanien 61% (Achtelfinale)
England 59% (Achtelfinale)
Schweiz 58% (Achtelfinale)
Ukraine 56% (Gruppenphase)
Ungarn 54% (Achtelfinale)
Russland 53% (Gruppenphase)
Frankreich 52% (Finalist)
Portugal 52% (Europameister)
Schweden 52% (Gruppenphase)
Österreich 51% (Gruppenphase)
Belgien 51% (Viertelfinale)
Kroatien 51% (Achtelfinale)
Türkei 48% (Gruppenphase)
Wales 48% (semi-finals)
Polen 46% (Viertelfinale)
Rumänien 46% (Gruppenphase)
Italien 45% (Viertelfinale)
Republik Irland 45% (Achtelfinale)
Slowakei 45% (Achtelfinale)
Tschechische Republik 43% (Gruppenphase)
Albanien 42% (Gruppenphase)
Nordirland 37% (Achtelfinale)
Island 36% (Viertelfinale)

©Getty Images

Dieser Trend setzte sich bis ins Finale fort, das Portugal mit nur 47 % Ballbesitz gewann. In den 15 K.-o.-Begegnungen gab es nur vier Siege für Teams, die mehr vom Ball hatten. In zwei Gruppenspielen wurde ein ausgeglichenes Ballbesitz-Verhältnis registriert; demnach war eine höhere Ballbesitzquote in nur 31 % der Partien gleichbedeutend mit einem Sieg.

Nach zwei vom ballbesitzorientierten Fußball der Spanier dominierten EM-Endrunden sorgte diese Abweichung von der Norm für neuen Gesprächsstoff. Wie der Oberste Technische Verantwortliche der UEFA, Ioan Lupescu, am Tag nach dem Endspiel sagte: "Das Turnier könnte auch als Aufeinandertreffen zwischen ballbesitzorientiertem Spiel und effektivem Defensivfußball angesehen werden. Es war quasi eine Renaissance der pragmatischen, nüchternen Spielweise zu beobachten."

Die UEFA Champions League wurde in den letzten vier Jahren immer abwechselnd von ballbesitzorientierten Teams und solchen, die den Ball lieber dem Gegner überlassen, gewonnen.

©Panoramic

Insofern war die Bedeutung des Ballbesitzes in diesem Wettbewerb ohnehin stets ein Thema. Doch die Saison 2015/16 hat die Diskussion nochmals angefacht: 53 Mal setzte sich die Mannschaft mit mehr Ballbesitz durch, 43 Mal diejenige, die weniger vom Ball hatte. Hinzu kamen die Siege des in seinem Stil vertikaler ausgerichteten Finalisten Atlético Madrid über den FC Barcelona und den FC Bayern München – zwei "Ballbesitzteams" par excellence.

Die UEFA EURO 2016 bestätigte die Theorie, dass mehr Ballbesitz keine Erfolgsgarantie ist, und hat den Trend hin zum ballbesitzorientierten Fußball mit einigen Fragezeichen versehen.

"Ich würde sagen, nur Deutschland, Spanien und England waren wirklich auf Ballbesitz aus", so der technische Beobachter Peter Rudbæk. "Italien lag wenig daran, und etliche andere Teams waren auch froh, sich auf ihren Konterfußball konzentrieren zu können."

Lupescu brachte die Sprache auf Antonio Contes Elf, die in dieserStatistik zu den Schlusslichtern gehörte. "Die Italiener sorgten mit ihrer Taktik für frischen Wind im Turnier", so Lupescu.

"Ihr Spiel basierte auf einer guten Defensivarbeit und hohem effektiven Pressing. Ballbesitz war ihnen egal – sie besannen sich auf das Kerngeschäft. Die Tür zum Finale hätte für sie weit offen gestanden, wären sie nicht im Elfmeterschießen gescheitert."

Das Turnier förderte auch widersprüchliche Fakten zutage. Während die Schweiz mitunter am meisten Ballbesitz verzeichnete (bis zu 58 % gegen Frankreich), hatte Viertelfinalist Island den Ball nur etwa 21 Minuten pro Spiel.

Die Portugiesen setzten im Turnier voll und ganz auf die Chamäleon-Taktik: Die Mannschaft von Fernando Santos hatte in ihren Gruppenspielen deutlich mehr vom Ball (zwischen 58 % und 66 %), während sie in ihren K.-o.-Partien gegen Kroatien, Polen, Wales und Frankreich auf Konterfußball setzte und ihr Ballbesitzanteil unter 50 % fiel. Durch diese klare taktische Umstellung ist ihr Turnierschnitt von 52 % nur wenig aussagekräftig.

Dieser Artikel ist Teil des offiziellen technischen Berichts der UEFA EURO 2016: JETZT HERUNTERLADEN