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Heynckes und das "kleine Dankeschön"

Jupp Heynckes zieht für UEFA.com ein Zwischenfazit nach seinem Comeback. Zudem verrät der Triple-Trainer, warum die Rückrunde für ihn auch einer "Sisyphusarbeit" gleichkommt.

Comeback des Jahres: Jupp Heynckes
Comeback des Jahres: Jupp Heynckes ©AFP/Getty Images

Der FC Bayern München hat nach einem holprigen Saisonstart die Kurve gekriegt und tanzt 2018 auf drei Hochzeiten. Die Rückkehr von Jupp Heynckes ist für viele das Comeback des Jahres. UEFA.com hat mit dem Trainer über die ereignisreichen letzten Monate gesprochen.

UEFA.com: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als sie Anfang Oktober vom FC Bayern gefragt wurden, ob sie sich vorstellen können, nochmals diesen Job zu übernehmen?

Jupp Heynckes: Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich 2013, als ich meine Karriere beendet hatte, niemals hätte vorstellen können, nochmals ins Trainergeschäft einzusteigen. Ich habe spontan nein gesagt. 'Es ist nicht möglich, es sind zu viele Hürden zu überspringen.' Auch im privaten Bereich. Aber wenn, dann hätte ich gerne mein Trainerteam von 2013 wieder gehabt, als wir das Triple gewonnen haben. Und wie das so üblich ist, sind die Gespräche dann immer intensiver geworden.

Beide, Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß, haben mich gebeten, das interimsmäßig zu übernehmen. Für einen Klub für den FC Bayern München ist es natürlich unheimlich schwierig, in solch einer Phase einen adäquaten Trainer zu finden. Einer, der die Erfahrung hat, einem solchen Klub vorzustehen, zu führen und auch wieder Kontinuität reinzubringen. Und letztendlich habe ich gemerkt, dass es für den Klub keine großartigen Alternativen gab. Dann habe ich mit meiner Familie geredet. Mit meiner Tochter und mit meiner Frau. Und die zwei Damen haben dann gesagt: 'Mach es doch bitte.'

Und dann wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt. Was waren denn die ersten Baustellen oder sportliche Herausforderungen?

©AFP/Getty Images

Heynckes: Wenn ein Trainerwechsel vorgenommen wird, dann ist es oft so, dass es sportliche Probleme gibt. Man hat also nicht den Erfolg, den der Verein sich wünscht. Ich persönlich muss ganz ehrlich sagen, dass ich Carlo Ancelotti für einen ganz großen Trainer in unserer Branche halte. Aber ich habe auch in meiner Karriere schon merken müssen, dass es bei dem einen oder anderen Klub nicht passt. Aus welchen Gründen auch immer. Es kann sein, dass die Chemie nicht stimmt, oder manch andere Faktoren, die für den Erfolg ganz wichtig sind. So war es sicher auch bei Carlo mit seinem Team.

Ich kenne den FC Bayern in und auswendig. Ich kenne noch viele Spieler aus meiner Zeit von 2011 bis 2013. Ich war davon überzeugt, dass ich die Mannschaft wieder in die Erfolgsspur führen könnte. Ich weiß auch, dass die Mannschaft Potenzial und Klasse hat, aber dass man auch an einigen Stellenschrauben drehen musste. Ich muss sagen, dass sich die Spieler überragend verhalten haben. Viele Details, die wir auf dem Trainingsplatz erarbeitet haben, haben sie sehr aufmerksam und diszipliniert aufgenommen. Und es dann auch sehr gut umgesetzt.

Der Mannschaft gebührt auch ein Lob dafür, wie man nach der 0:3-Niederlage in Paris die restlichen Spiele der Champions League angegangen ist. Das war mehr oder weniger souverän, vielleicht mit Abstrichen was das Spiel gegen Anderlecht betrifft.

Heynckes: Ich denke, das Paris durch die spektakulären Einkäufe in dieser Saison eine ganz andere Qualität darstellt und sicher einer der Favoriten auf die Champions League ist. Anderlecht und Celtic haben nicht das Niveau wie die ganz Großen, die letztendlich um den Sieg in der Champions League spielen. Ich muss ganz offen gestehen: für uns, vom Namen, vom Habitus, vom Anspruch, war es ganz normal, dass wir gegen diese Mannschaften gewinnen. Und das haben wir gemacht.

Natürlich ist es nicht einfach, eine Mannschaft erst nach einem Viertel der Saison zu übernehmen. Weil jeder Trainer hat so seine eigene Philosophie. Einen eigenen Stil, seine Mannschaft zu führen. Und in meiner gesamten Karriere habe ich eigentlich immer eine Mannschaft ganz am Anfang der Saison übernommen. Nie mittendrin. Das war die große Ausnahme. Weil ich den FC Bayern wahnsinnig viel zu verdanken habe, so wie meine internationale Karriere. Es war also ein kleines Dankeschön, dass ich es gemacht habe.

©Getty Images

Überlegen Sie jetzt schon, wie sie das Potenzial der Mannschaft in der K.-o.-Runde ausreizen können?

Heynckes: Ich denke, dass man ein ganz klares Konzept haben muss. Das betrifft natürlich auch die Vorbereitung zur Rückrunde. Das haben wir alles schon zu Papier gebracht. Ich habe große Erfahrung in der Champions League. An der Champions League habe ich dreimal teilgenommen und bin dreimal ins Endspiel gekommen. Also habe ich riesige Erfahrung, was eine Mannschaft braucht. Was man benötigt, um das Viertelfinale, Halbfinale und auch das Finale zu gewinnen. Da gehört eine akribische Planung dazu.

Vor allem ist es auch wichtig, dass man einen Spielerkader hat, den man auch mal rotieren kann. Dass man eben im Februar, März, April, Mai alle Spieler zur Verfügung hat und sie auch in einer guten Verfassung sind. Das ist eine Sisyphusarbeit. Aber 2013 haben wir es perfekt hinbekommen. Ich weiß nicht, ob es in diesem Jahr möglich ist, das werden wir sehen.

2013 hatte die Mannschaft einen besonderen Antrieb. Die Niederlage im "Finale dahoam" in der Saison davor hinterließ einen tiefen Stachel, aber die Reaktion darauf war bemerkenswert. Wie hat sich das Team seitdem entwickelt?

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Heynckes: Ich denke, dass der Erfolg 2013 darauf zurückzuführen ist, dass wir einen überragenden Teamgeist hatten. Wir haben auch im Trainingszentrum an der Säbener Straße eine Stimmung und eine Atmosphäre, in der die Arbeit einfach Spaß gemacht hat. Es ging über die Mannschaft hinaus, da war auch das Funktionsteam involviert, die medizinische Abteilung und die Physios. Alle, die uns zu gearbeitet haben. Wir waren, wie die Spanier sagen: 'una piña' -  eine positive Clique.

In den letzten vier Jahren hat der FC Bayern für mich ein viel besseres Spielerpotenzial gehabt. Daran kann man wieder sehen, dass die verschiedensten Faktoren entscheidend sind, um die Champions League zu gewinnen. Nicht nur die Klasse. Es ist wichtig, dass sie Top-Spieler und eine Top-Mannschaft haben, aber sie muss in ganz schwierigen Situationen auch zusammenstehen. Die Spieler benötigen Verständnis und einen Respekt untereinander, sie müssen sich gegenseitig motivieren und anschieben. Persönliche Eitelkeiten müssen ganz weggeschoben werden. Das hatten wir 2013.

Eine kleine Stellschraube haben sie auch schon wieder auf 2013 zurück gedreht. Sie haben schon immer von Javi Martìnez geschwärmt. Warum haben sie ihn aus der Innenverteidigung wieder ins Mittelfeld gezogen?

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Heynckes: Es geht darum, was man als Trainer für eine fußballerische Philosophie hat. Ich sehe Martinez produktiver im defensiven Mittelfeld. Er hat ein überragendes Zweikampfverhalten. Im Kopfball gibt es nicht viele auf diesem Planeten, die besser sind. Er hat auch eine ungemein gute Einstellung zum Fußball. Zudem kann er auch Fußball spielen.

In den K.-o.-Spielen brauchen sie dynamische und sehr schnelle Spieler in der Innenverteidigung. Javi ist nicht der Schnellste. Er hat eine gute Schnelligkeit, aber wenn sie die Champions League gewinnen wollen, müssen Sie auf der Position des Innenverteidigers zwei sehr schnelle Spieler haben. Deswegen habe ich da gewechselt. Das ist Ansichtssache, das muss jeder Trainer für sich selber entscheiden.

Ich kenne den Spieler aus dem Effeff und deswegen habe ich ihn damals aus Bilbao geholt. Mit ihm haben wir die Champions League gewonnen. 2013 war er derjenige, der nach 20 Minuten das erste Tackling gewonnen hat, das zweite und das dritte und praktisch das Signal gegeben hat: jetzt übernehmen wir hier das Ruder. Jetzt sind wir die dominierende Mannschaft.

Finden Sie, dass er jetzt schon wieder so eine Stütze ist wie damals, oder muss man sich als Spieler bei so einer Umstellung erst wieder einen Rhythmus holen?

Heynckes: Er hat bisher sehr gut gespielt. Aber das ist doch klar: für so eine Position brauchen Sie riesige Ausdauerwerte, eine absolute Fitness. Da arbeiten wir kontinuierlich dran. Das schließt nicht aus, dass er auch mal wieder ein Spiel pausiert. Er braucht für sein Spiel unheimlich viel Kraft und viel Athletik.