Grundsatzrede des UEFA-Präsidenten vor Europarat in Straßburg
Mittwoch, 28. September 2011
Artikel-Zusammenfassung
Michel Platini forderte den Europarat in einer Grundsatzrede, die Themen wie Spielmanipulationen, Gewalt im Stadion, finanzielles Fairplay und Nationalmannschaftsfußball beinhaltete, auf, bei der Suche nach Lösungen behilflich zu sein.
Top-Medien-Inhalte des Artikels
Artikel-Aufbau
Der Kampf gegen Spielmanipulationen, die Notwendigkeit des finanziellen Fairplays im europäischen Fußball und die Wichtigkeit der Nationalmannschaften - das waren die wichtigsten Punkte, die UEFA-Präsident Michel Platini bei seiner Rede vor dem Europarat am Mittwoch in Straßburg thematisierte.
Michel Platini forderte den Rat auf, auf der Suche nach Lösungen behilflich zu sein und einen dauerhaften und fruchtbaren Beitrag zu leisten, um das Wohlergehen des Fußballs in Zeiten, in denen er einer Reihe von Herausforderungen gegenübersteht, sicherzustellen.
Der UEFA-Präsident sagte zu den Spielmanipulationen, dass das Phänomen infolge von Aktivitäten beträchtlichen Ausmaßes im Bereich Online-Wetten zugenommen habe.
"Fußballeuropa bekommt es mit der Angst zu tun, und ich wage zu behaupten, dass dies auf den gesamten europäischen Sport zutrifft. Die wachsende Zahl der Spielmanipulationen im Zusammenhang mit Wetten ist alarmierend - nicht zuletzt deshalb, weil dieses Phänomen vor keiner Sportart und vor keinem Land Halt macht."
"Es versteht sich von selbst, dass der Sport auch bisher schon nicht tatenlos zugeschaut hat: gezielte Sensibilisierungskampagnen, kostspielige Überwachungsinstrumente und Disziplinarverfahren sind nur die wichtigsten Maßnahmen. Doch so sinnvoll sie sein mögen, sie reichen nicht aus. Erst recht nicht, wenn das organisierte Verbrechen hinter den Spielmanipulationen steckt."
"Wie sieht es also mit dem Strafrecht der europäischen Staaten aus? Nun, die Erfahrung hat gezeigt, dass die klassischen Gesetze für Vergehen wie Geldwäsche, Bestechung oder Betrug leider nur bedingt anwendbar sind. Um dem entgegenzuwirken, haben gewisse Länder den Tatbestand des Sportbetrugs eingeführt. Es sind dies Italien, Portugal, Spanien, Großbritannien, Polen und Bulgarien."
"Allerdings sind wir weit von einer einheitlichen Strafverfolgung des Sportbetrugs entfernt. Dieser Missstand trägt dazu bei, dass die Spielmanipulationen nicht abnehmen."
"Aus diesem Grund bin ich mittlerweile der Auffassung, dass ein Eingreifen des Europarats notwendig ist. Seine Mitgliedstaaten müssen dazu ermutigt werden, den Sportbetrug als Tatbestand in ihrem Strafrecht zu verankern, und die unabdingbare Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und Sportverbänden muss vorangebracht werden. Es geht hier um Verantwortung, um Ethik, um Gerechtigkeit."
Dann wandte sich der UEFA-Präsident der Gewalt in den Stadien zu. "Dieses sinnlose Übel, das mich abstößt und für das ich mich schäme, ist durch nichts zu rechtfertigen", sagte er. "Trotz der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte kommen Gewalt und Diskriminierung in unseren Stadien immer noch vor. Wir können und dürfen jedoch nicht in Fatalismus verfallen oder die Hoffnung aufgeben."
"Sie können auf jeden Fall darauf zählen, dass wir in Sachen Hooliganismus keine Kompromisse eingehen werden und dass wir keine Mühe scheuen werden, um die Gewalt aus unseren Stadien zu verbannen und sie zum Verschwinden zu bringen. Beachten Sie bitte, meine Damen und Herren, dass ich nicht von Rückgang, Begrenzung oder Eindämmung spreche, sondern von 'Verschwinden'. Ich behaupte, dass es möglich ist, die Gewalt in unseren Stadien zum Verschwinden zu bringen! Die Gesetzgeber und Regierungen müssen sich unaufhörlich mit diesem Thema auseinandersetzen, denn solange man in einem solchen Fall nicht alles Erdenkliche unternimmt, hat man seine Aufgabe nicht wahrgenommen."
Die UEFA hat Maßnahmen eingeleitet, um für ein finanzielles Fairplay und die langfristige Stabilität des europäischen Fußballs zu sorgen. "Meine Aufgabe als UEFA-Präsident darin besteht, für eine nachhaltige Entwicklung des Fußballs zu sorgen", sagte Michel Platini. "Eine solche Entwicklung sicherzustellen, bedeutet insbesondere, den Klubs eine vernünftige Haushalts- und Investitionspolitik nahezulegen. Sie werden mir beipflichten, dass dies nötiger denn je ist, haben doch die Fußballklubs unseres Kontinents im letzten Jahr Verluste von über 1,2 Milliarden Euro gemacht."
"Ich möchte die europäischen Klubs zur Vernunft bringen und ihnen folgende Botschaft übermitteln: 'Gebt nicht mehr Geld aus, als ihr einnehmt, sonst riskiert ihr, den Fußball in den Ruin zu führen.' Auf dieser Botschaft beruht das finanzielle Fairplay."
"Die Einhaltung der Kriterien des finanziellen Fairplays wird eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme an der Champions League und der Europa League sein. Die UEFA wird dieses Konzept durchziehen, da sie keine egoistischen Interessen zu verteidigen hat. Ihr einziges Ziel besteht darin, die allgemeinen Interessen des Fußballs zu schützen."
Die UEFA ist entschlossen, den Nationalmannschaftsfußball weiter voranzubringen, weil er eine wesentliche Komponente auf der europäischen Fußballlandkarte ist. "Wäre der Sport ein Lebewesen", sagte der UEFA-Präsident, "so wären die Nationalmannschaften sein Herz. Ein Herz, dessen Rhythmus dem europäischen Sportmodell den Takt vorgibt, das zu Exzellenz anspornt, das zur langfristigen Finanzierung des Breitensports beiträgt."
"Heute ist der Fortbestand der Nationalmannschaften jedoch gefährdet. Es besteht keinerlei Garantie mehr für die Freistellung von Spielern, die für ihre Nationalmannschaft aufgeboten werden. Führt man sich die entscheidende Bedeutung der Nationalmannschaftswettbewerbe für die finanzielle Solidarität vor Augen, gibt es allen Grund zur Sorge. Das europäische Sportmodell basiert auf offenen Wettbewerben, in denen Klubs und Nationalmannschaften harmonisch miteinander koexistieren."
"Wenn überhaupt, führt uns all dies zu einem anderen Schluss, einem ebenso grundlegenden: dass der Sport einen robusten, klaren und planungssicheren Rechtsrahmen braucht", sagte der Michel Platini. "Wir dürfen nicht einfach alles hinnehmen, was kommt, wir müssen die Zukunft selber gestalten."
"Gewiss bleibt noch viel zu tun", sagte der UEFA-Präsident in seiner Schlussadresse. "Ich bin jedoch überzeugt, dass wir gemeinsam bedeutende Fortschritte erzielen werden. Mein tiefster Wunsch ist es, dass Sie unsere Arbeit unterstützen und sich mit Entschlossenheit für eine gesunde Entwicklung des europäischen Sports einsetzen."